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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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vollkommen weiß.
    »Was wollt Ihr hier, Richard Artzt?« fragte sie mit einer überraschend melodisch klingenden Stimme.
    »Ich bin nicht beeindruckt«, entgegnete er. »Ihr wißt meinen Namen von Barbara.«
    Die ›alte‹ Bertha lachte. »Euren Namen, ja, und so manches mehr. Ihr seid also der, der nicht glauben will, daß es Hexen gibt? Daß ich, wenn ich will, den Teufel beschwören kann?«
    Richard spürte, wie Barbara neben ihm zitterte. »So ist es«, erklärte er mit fester Stimme. »Ich glaube nicht, daß Ihr eine Hexe seid, weil es keine Hexen gibt und nie welche gegeben hat. Ihr führt Eure Kunden mit Kniffen und Listen irre. Mag sein, daß ich nicht alle durchschauen kann, aber sie haben nichts mit Zauber zu tun. Nur mit Gerissenheit.«
    Die weißhaarige Frau bog den Kopf zurück und lachte. »Wie schade, daß nicht alle so denken wie Ihr«, keuchte sie, als sie wieder zu Atem kam, »dann würden ich und meinesgleichen nämlich sehr viel sicherer leben.«
    »Ihr bringt Euch selbst in Gefahr«, sagte Richard heftig, »indem Ihr behauptet, eine Hexe zu sein, Euch und andere.«
    Sie stützte die Arme in der Taille ab. »Aber ich bin eine Hexe. Hmmm … Barbara, mein Kind, wen hast du mir da gebracht? Sagt, Richard Artzt, warum ist der Gedanke, daß es Hexen gibt, für Euch so unerträglich?«
    Richard wehrte sich gegen das Gefühl, gegen eine Wand anzurennen. »Weil es ein dummer Gedanke ist, ein gefährlicher Gedanke.«
    Völlig übergangslos stand die Frau auf einmal neben ihm, obwohl ihm nicht aufgefallen war, daß sie sich bewegt hatte. Nun erkannte er eine Unzahl feiner Linien in ihrem scheinbar alterslosen Gesicht.
    »Und wenn ich Euch einen Beweis meiner Kräfte gebe?«
    »Tut es«, erklärte Richard herausfordernd.
    Sie begann, vor sich hinzusummen, nur ein paar Noten, immer und immer wieder, bis er merkte, daß er schläfrig wurde und seine Umgebung nicht mehr genau wahrnahm. Hastig richtete er sich auf und kniff sich heimlich in den Arm. Das würde ihr so passen, ihn einzuschläfern! Barbara neben ihm hatte den Kopf auf seine Schulter gelehnt. Ihre Augen waren geschlossen.
    »Nun?« fragte er kalt. Die seltsame weißhaarige Frau sah ihn an, und ihre Miene war nicht mehr spöttisch, sondern traurig und verständnisvoll zugleich.
    »Richard, Richard, Ihr hättet niemals hierherkommen sollen. Ihr könnt den Gedanken an Hexen nicht ertragen, weil dann bewiesen wäre, daß sie im Recht waren, die Richter damals, und daß sie schuldig war, die andere Hexe, Eure Mutter.«
    Stille. Er hörte seinen schweren Atem, auch die leisen Atemzüge Barbaras.
    »Das ist nicht wahr.«
    Sie berührte mit den Fingerspitzen seine Stirn. »Ich habe es gesehen … Ihr tragt den Flammentod in den Augen, der auch auf mich wartet. Wir kennen ihn beide, Ihr und ich, wir sind von ihm gezeichnet. Aber ich werde sterben, und Ihr seid entkommen. Aber hütet Euch, denn es wartet noch ein weiteres Feuer auf Euch und eine weitere Hexe. Ihr braucht sie, Ihr könnt ihr nicht entkommen, Ihr seid bestimmt für diese Hexe und sie für Euch. Aber diesmal können die Flammen Euch verbrennen.«
    Richard holte tief Luft, und Barbara schrak auf. Hatte sie geschlafen oder hatte sie nur vorgegeben, es zu tun? »Ich weiß nicht«, sagte er langsam, »wie Ihr das gemacht habt. Nur zwei Menschen in Augsburg wissen über meine Mutter Bescheid, und sie hätten es Euch niemals erzählt. Aber Ihr könntet jemanden aus Wandlingen kennen. Das ist gleichgültig. Aber niemals, hört Ihr, niemals werde ich glauben, daß es Hexen gibt, und eines Tages werde ich das beweisen! Ich werde es Euch beweisen und den domini canes und dem Heiligen Stuhl! Ich werde es beweisen.«
    Damit drehte er sich um und ging. Hinter ihm erklang das erneute Gelächter der ›alten‹ Bertha, und ihre Stimme verfolgte ihn: »Ihr werdet sehen. Ihr werdet allen Zauber der Welt sehen und doch leugnen, bis Euch nur noch der Zauber retten kann! Ihr seid dafür bestimmt!«
    Barbara holte ihn ein, und nach der merkwürdigen Atmosphäre in der Hütte war sie mit ihren erhitzten Wangen und dem gelösten Haar ein Stück Wirklichkeit, nach dem er griff.
    »O Richard, es tut mir leid! Wir hätten nicht dort hingehen sollen!«
    Sie hatte also keineswegs geschlafen. »Es war mein Einfall«, erwiderte er brüsk. »Ich habe dich beinahe dazu gezwungen.«
    Grübchen malten sich in ihren Wangen. »Hast du das nicht schon einmal gesagt … zu dem alten Drachen am Rindermarkt?«
    Richard erwiderte

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