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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Besonderen und Abenteuerlichen.
    »Was ist das, Meister Eberding?«
    »Dort wird Hopfen angebaut.«
    Richard betrachtete die langen, aufragenden Stangen, die wie verlassene Überbleibsel eines Krieges wirkten, Lanzen, die man vergessen hatte.
    Hänsle hatte gerade vergeblich versucht, sich an einen bestimmten venezianischen Ausdruck zu erinnern und seufzte nun tief.
    »Es ist zwecklos – dieses Kauderwelsch ist zu hoch für mich.«
    »Sei froh«, erwiderte Richard belustigt, »daß du nur die venezianische Mundart brauchen wirst, in Florenz und der Toskana sprechen die Leute nämlich ganz anders.«
    Hänsle schnitt eine Grimasse und trieb sein Pferd etwas an. »Was will ich mit der Toskana! Du tust mir leid, weil du dorthin verbannt worden bist, Richard, wo doch jedermann weiß, daß Venedig für einen Mann das Paradies ist! Dort gibt es die besten Huren auf der ganzen Welt.«
    »Du wirst kaum Zeit haben, sie zu besuchen, wenn du in der Faktorei etwas lernen willst.«
    »Jawohl, Onkel Jakob!« Hänsle grinste.
    Richard lenkte sein Pferd etwas näher an Hänsles heran und fragte ein wenig irritiert: »Was willst du damit eigentlich immer? Der Witz ist mittlerweile ausgeleiert. Ich bin nicht im geringsten wie Jakob.«
    Hänsle blinzelte ihm zu. »Ach nein? Wer läuft denn den ganzen Tag mit einem Gesicht wie eine Maske aus Stein herum? Wer ist schier unchristlich arbeitswütig? Wer predigt mir eben über die Tugend der Selbstbeherrschung? Schwer zu sagen, nicht wahr, wer das sein könnte – Onkel Jakob oder du?«
    Richard, der nicht weiter über dieses Thema nachdenken wollte, entschloß sich, darüber hinwegzugehen. Als sie an diesem Abend müde in die Betten ihrer Herberge fielen, machte sich der Umstand bemerkbar, daß sie keine tagelangen Ritte gewohnt waren. Sie konnten sich kaum noch bewegen. Hänsle stöhnte. »Oh, meine Beine … und mein Kreuz!« Richard ging es nicht besser.
    Sie schliefen sehr schnell ein, doch am nächsten Tag, am frühen Morgen, wartete ein überwältigender Anblick auf sie. »Hänsle, sieh doch – die Alpen!«
    Richard hatte das Gebirge noch nie gesehen. Für ihn waren die Berge unter Schnee und Fels begrabene Riesen aus längst vergessenen Urzeiten. Sie ließen die vorbeiziehenden Menschen winzig erscheinen. Die Schneereste, die überall noch lagen und sich von den dunklen Fichten abhoben, schienen von bläulichen Schatten durchzogen zu sein. Doch am schönsten waren die gefrorenen Bäche und Wasserfälle. Richard kam es vor, als hätte ein Wunder den Lauf des Wassers aufgehalten und die Zeit erstarren lassen. Er konnte sich kaum von dem Anblick des Eises, in dem die Sonnenstrahlen sich brachen, losreißen.
    »Wie ein Regenbogen in einem gefrorenen Orkan!«
    »Komm endlich, Richard!«
    Er war nicht auf die riesigen Wälder gefaßt gewesen, die begannen, als sie Schongau hinter sich gelassen hatten. Das dunkle Grün und tote Braun, in dem sich gerade erst langsam die helleren Töne des Frühlings durchzusetzen begannen, ließen kein Ende erkennen. Manchmal kam es Richard so vor, als würden die Bäume mit ihren ausladenden Ästen, in denen sich der Wind fing, nach ihm greifen. Er hätte es nicht zugegeben, aber er war trotz aller Begeisterung für das Neue froh über Anton Eberdings Anordnung, eng beieinander zu bleiben, und vermutete insgeheim, daß auch die anderen mehr fürchteten als herumstreunende Räuber. Abends, wenn sie in einer Herberge Rast machten und irgend jemand eine Geschichte über Riesen und Waldgeister erzählte, konnte Richard darüber lachen und kam sich selbst albern vor. Doch in den undurchdringlichen Wäldern lag etwas, das ihn, der sein ganzes Leben in wohlgeordneten Städten verbracht hatte, seltsam berührte und zugleich beunruhigte, und es dauerte einige Zeit, bis er sich daran gewöhnte.
    Sie kamen am berühmten Kloster Ettal vorbei. Richard verspürte eine Mischung aus Neugier und Widerwillen und war froh, daß Eberding an diesem Abend unbedingt noch bis zur Fuggerfaktorei in Partenkirchen wollte. Sparsam wie ihr neuer Leiter war, störte ihn jeder Dukaten, den er in Herbergen ausgeben mußte, und die überall verstreuten Stationen der Fuggerschen Handelsplätze waren ihm deshalb eine willkommene Unterkunft.
    Der Anblick der Städte und Dörfer hatte sich verändert. Entsprachen auf ihren ersten Stationen die Orte noch dem Bild, wie sie es von Augsburg gewohnt waren, so wirkten die Häuser jetzt viel kleiner und gedrungener. Oft schienen sie nur aus

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