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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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einfach behauenen Stämmen der umliegenden Wälder gebaut zu sein. Am merkwürdigsten kam ihnen jedoch vor, daß auf den Dächern große Steine lagen, und Eberding erklärte, dies hinge mit dem Wind und dem Schnee zusammen, mit dem die Bauern hier fertig werden mußten.
    Die nächste größere Stadt, in die sie gelangten, war Innsbruck, wo sie in der dortigen Faktorei der Fugger Pferde tauschen und neue Vorräte bekommen sollten. Richard hatte gehört, daß sie einen Paß überqueren mußten, um nach Innsbruck zu gelangen, und sich darunter so etwas wie einen engen, schmalen Weg, der von Gipfel zu Gipfel führte, vorgestellt. Er wurde enttäuscht. Der Paß nach Innsbruck war breit angelegt, reichte noch nicht einmal in die Nähe der Gipfel und mündete erst beim Abstieg in enge Kurven, die aber dem Wagen des Zugs, auf dem sich die sperrigeren Handelsgüter befanden, keinerlei Schwierigkeiten bereiteten. Doch als sich die Türme und Dächer der Tiroler Hauptstadt schon deutlich abzeichneten, kam es zu einer seltsamen Begegnung. Auf der Straße, die zu den Stadttoren führte, zog ihnen eine merkwürdige Gruppe von Menschen entgegen. Die meisten führten einen Handkarren oder ein ähnliches Gefährt mit sich, auf dem wahllos Hausrat gestapelt war. Keiner von ihnen machte Anstalten, Anton Eberdings Zug zu grüßen.
    Richard und Hänsle starrten verwundert auf die Männer, die ganz in Schwarz bekleidet waren, mit seltsamen Kopfbedeckungen und langen Locken, die ihr Gesicht rahmten. Die Einsamkeit und Andersartigkeit, die sie ausstrahlten, waren fast greifbar.
    »Was sind das für Leute?« fragte Hänsle flüsternd Meister Eberding, als die Gestalten vorbeigezogen waren. Der große, bärtige Augsburger spuckte aus.
    »Juden! Man wird sie aus Innsbruck vertrieben haben. Was für ein Glück.«
    Hänsle und Richard warfen sich unbehagliche Blicke zu. In Augsburg gab es keine Juden mehr. Man hatte sie schon zu Zeiten von Hans Fugger, dem berüchtigten ›Weber aus Graben am Lech‹, verjagt, und es war eine bekannte Familiengeschichte, wie sich Hans Fugger diesen Umstand zunutze gemacht hatte. Er hatte durch einen Freund im Stadtrat von der beabsichtigten Vertreibung schon gewußt, ehe die Augsburger es erfuhren, und das Haus am Rohr zu einem Spottpreis von dem bisherigen Besitzer gekauft, der es eilig hatte, einen Wohnsitz im Judenviertel loszuwerden, den er ohnehin nur geerbt hatte.
    Hans' Wahl hatte Hohn und anzügliche Bemerkungen hervorgerufen – bis bekannt wurde, daß der Stadtrat beschlossen hatte, alle Juden aus Augsburg zu verjagen. Damit war der Weber nun im Besitz eines Hauses in hervorragender Lage, das in den kommenden Jahren Sitz des Unternehmens wurde, bis Ulrich, Georg und Jakob, die Enkel des Webers, das Anwesen am Rindermarkt kauften.
    »Ich habe noch nie Juden gesehen«, sagte Hänsle unsicher, und Anton Eberding antwortete harsch: »Seid froh darum! Blutsauger sind sie, Zinswucherer und Kindsmörder bei ihren verfluchten Ritualen!« Ehe Eberding es sich versah, platzte Richard heraus: »Das ist nicht wahr!«
    Der Kaufmann wandte sich ihm zu. Es lag eher Verwunderung als Ärger in seinem Blick. »Was ist nicht wahr?«
    »Daß sie Kinder bei ihren Ritualen schlachten.«
    »Aber, Richard«, warf Hänsle ungläubig ein, »das weiß doch jeder.«
    »Deswegen ist es noch lange nicht wahr.«
    Richards Stimme war leise, aber unnachgiebig. Er wußte, daß er sich vielleicht das Wohlwollen Anton Eberdings verscherzte, doch hier galt es, eine Ungerechtigkeit aufzuklären.
    »Als einmal die Bürger von Fulda zu Kaiser Friedrich II. kamen«, sagte er und Hänsle stöhnte, denn dieser Friedrich war eines von Richards Lieblingsthemen, »und die Juden ihrer Stadt anklagten, Kinder bei ihren Ritualen geschlachtet zu haben, befand der Kaiser die Juden nicht nur für unschuldig, sondern berief auch noch bekehrte, zu Christen gewordene Juden aus dem ganzen Reich zu sich, die prüfen und aussagen sollten, ob die jüdische Religion einen Ritualmord überhaupt gestattete. Und alle waren sich einig, daß eine solche Tat ein Greuel sei, und der Kaiser verbot bei schwerer Strafe, jemals wieder eine solche Anklage gegen die Juden vorzubringen.«
    Eberdings Miene hatte sich während Richards Erzählung immer mehr verfinstert. Seine buschigen grauen Augenbrauen waren zusammengezogen, und die gerunzelte Stirn kündigte schwere Gewitterwolken an.
    »Bekehrte Juden – ha! Als ob ein Jude jemals ehrlich würde. Die würden doch alles

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