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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sagen, nur um ihre Haut zu retten. Überdies war der Kaiser, den Ihr da erwähnt, selbst ein halber Heide, und die heilige Kirche hat ihn nicht nur einmal, sondern gleich dreimal exkommuniziert. Was für einen Grund hättet Ihr, Euch für Gezücht wie die Juden einzusetzen, junger Herr?«
    Richard hatte nicht bemerkt, daß er unbewußt die Zügel immer wieder um seine Hand gewickelt hatte, bis das Leder in die Haut einschnitt.
    »Gerüchte verbreiten sich schnell und Lügen ebenso, und dann werden den Menschen Dinge vorgeworfen, die sie nicht getan haben«, erwiderte er fast unhörbar. »Es ist nicht gerecht, irgend jemanden für Dinge leiden zu lassen, die er nicht getan hat.«
    Er hatte nie ausführlich über die Juden nachgedacht, doch der Anblick dieser vorbeiziehenden Menschen auf der Straße und die Rede Meister Eberdings hatten ihn allzusehr an Wandlingen und das Feuer erinnert.
    Hänsle wollte vermitteln. »Mag sein, daß du recht hast, Richard, mit den Ritualen, aber Meister Eberding hat auch recht, denn es steht nun einmal fest, daß die Juden Wucherer sind und Christen durch Zins ausbluten lassen, wo sie nur können.«
    »Der Landbesitz ist ihnen verboten«, entgegnete Richard heftig, »sie dürfen kein Handwerk ausüben, was sollen sie also tun?«
    »Rührend«, spottete Eberding, »und das ist ein Grund, um bis zu fünfzig Prozent Zins zu nehmen, wie es meinem Onkel geschah, der durch einen Juden ruiniert wurde?«
    Richard schwieg. Es hatte keinen Sinn. Eberding war nicht Konrad Pantinger, Anselm oder irgendein anderer, mit dem sich ein solcher Disput gelohnt hätte. Ganz gleich, was Richard sagte, Eberding würde bei seiner Meinung bleiben.
    »Laßt uns Innsbruck erreichen«, sagte er, plötzlich müde, »ich möchte die Stadt sehen.«
    Er klopfte seinem Pferd auf den Hals, spürte das rauhe Fell unter seinen Handflächen und dachte über Anton Eberding nach. Eberding war kein schlechter Mensch, im Gegenteil, er mußte absolut verläßlich und ein guter Kaufmann sein, sonst hätte Jakob ihn nicht mit dieser Aufgabe betraut. In den vergangenen Wochen war er Richard vielleicht ein wenig schroff, aber doch im Grunde angenehm erschienen, jemand, mit dem man Freundschaft schließen konnte. Doch derselbe Eberding war in seiner Abneigung gegen die Juden so blind, daß er in dieser Beziehung keinem vernünftigen Argument zugänglich war, und Richard hätte noch manche vorbringen können.
    Anselm hatte ihm erzählt, daß die Juden tatsächlich hohe Zinssätze nahmen, aber deswegen, weil der Landesherr des Fürstentums, in dem sie sich befanden, die Schuld eines seiner Untertanen bei einem Juden jederzeit für nichtig erklären konnte. Es war eine großzügige Geste gegenüber dem Untertan und kostete den Lehnsherrn nichts, den Juden dagegen sehr viel, und der hohe Zins war ein Mittel, um sicherzugehen, daß er wenigstens etwas von seinem Geld wiedersah. Richard setzte zu dieser Erklärung an, unterließ es dann jedoch. Zwecklos. Aber wider besseren Wissens schweigen zu müssen, machte ihn wütend, und er versuchte, den Gedanken an die schwarze Schar vor den Toren Innsbrucks zu verdrängen. Eines Tages würde er nicht mehr schweigen.
    Die Innsbrucker Faktorei war eine der wichtigsten des Fuggerschen Unternehmens, da sie den gesamten Tiroler Silberhandel regelte. Dort, in dem soliden Fachwerkgebäude, stapelten sich die Silberbarren, die aus den Gruben kamen, bevor sie mit hohem Gewinn entweder an die staatliche Münze in Hall, die ebenfalls unter Jakobs Leitung stand, weiterverkauft oder ins Ausland gebracht wurden, durchaus nicht immer zu dem Hauptumschlagplatz Venedig.
    Die Tiroler Münzen hatten einen viel höheren Silbergehalt als diejenigen, die man jenseits der Tiroler Grenze prägte, und Jakob hatte die sich daraus bietenden Möglichkeiten schnell erkannt. Er hatte sich auch noch bei weiteren Staaten die Prägeerlaubnis zu beschaffen gewußt und konnte nun mit jedem Pfund Silber, das er über die Landesgrenze brachte, ungefähr anderthalbmal soviel Münzen prägen wie innerhalb des Herzogtums Tirol.
    Der Leiter der Faktorei führte Richard und Hänsle stolz in eine der Lagerhallen und gab ihnen einen Silberbarren in die Hand. »Faßt es ruhig an«, ermunterte er. »Man muß das Metall in seiner rohen Form sehen, um zu begreifen, warum die Menschen dafür töten würden.«
    Richard hätte um ein Haar gefragt, ob sie einen Stollen besichtigen könnten. Doch der Leiter sprach schon weiter. »Wenn Ihr noch

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