Die pure Versuchung
sich, den Stuhl auf zwei Beinen balancierend, an die Wand. Heute Abend war er in besonders schlechter Stimmung. Warum nur hatte er den verdammten Telefonhörer abgenommen?
„Was ist?“, hatte er gebrüllt, nachdem das Telefon schon den ganzen Nachmittag immer wieder geklingelt hatte.
„Meldet man sich etwa so am Telefon?“, erwiderte Mandy.
„Was willst du?“
„Du brauchst nicht so grob zu sein.“
„Und du musst nicht jeden verdammten Tag anrufen, um sicherzugehen, dass ich mich noch nicht vom Balkon gestürzt habe.“
Es folgte Stille in der Leitung, ehe Mandy schließlich sagte: „Das ist nicht besonders komisch, Dan. Und zufällig habe ich dich seit drei Tagen nicht mehr angerufen.“
„Tatsächlich? Dann hast du ja einen neuen Rekord aufgestellt. Ich schicke dir eine Medaille.“
Diesmal dauerte die Stille noch länger an. Viel länger. Endlich hörte er ein Seufzen. „Wir müssen uns unterhalten“, sagte Mandy.
„Das tun wir gerade.“
„Über DSC.“
„Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht über die Firma reden will.“
„Oh ja, das hast du mir deutlich genug zu verstehen gegeben, großer Bruder. Es fiel dir nicht schwer, einfach zu gehen und zu erklären, dass du Schluss machst. Aber die Welt dreht sich weiter, auch wenn du beschlossen hast, nicht mehr mitzuspielen. Du hast immer noch Verträge einzuhalten und Produktionsquoten zu erfüllen. Wenn ihr beide fort seid, du und James, gibt es niemanden mehr, der die Firma leiten kann. Du hast Rafe als Chef des Sicherheitsdienstes eingestellt. Er hat überhaupt keine Ahnung, wie er dein Unternehmen für dich leiten soll.“
„Darum hat ihn auch niemand gebeten.“
„Aber irgendjemand muss es tun! Eine nationale Arbeitsvermittlung hat sich gemeldet. Sie sagten, du hättest Kontakt mit ihnen aufgenommen, und jetzt wollen sie wegen der Bewerber Termine mit dir vereinbaren. Niemand weiß, was wir ihnen sagen sollen. Rafe ist für Einstellungsgespräche nicht qualifiziert. Sehen wir mal von den möglichen Umsatzeinbußen durch deine Abwesenheit ab, brauchen wir immer noch jemanden, der dafür sorgt, dass die bereits unterschriebenen Verträge eingehalten werden. Geschieht das nämlich nicht, wirst du mit Klagen überzogen werden. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es dir Spaß machen würde, wieder vor Gericht zu stehen.“
„Das ist unfair, Mandy.“
„Du findest momentan alles unfair. Aber ich habe es allmählich satt, dich mit Samthandschuhen anzufassen. Rafe würde dir das niemals sagen, aber jemand muss es tun. Du musst aufhören, nur über deine Schmerzen, deinen Verlust und deine Qual nachzudenken, und dir zur Abwechslung mal Gedanken über andere machen. Hast du eine Ahnung, wie viele Stunden Rafe in das Unternehmen investiert, um dich zu retten? Ich sehe ihn kaum noch. Er kommt selten vor elf nach Hause und verschwindet um sieben am nächsten Morgen schon wieder. Das ist doch keine Art zu leben. Ich weiß, dass James dich verletzt hat …“
„Verletzt? Verdammt, Mandy, hier geht es nicht um meine verletzten Gefühle. Er hat alles versucht, um mir seine Taten in die Schuhe zu schieben! Wenn Rafe nicht den Beweis für seine Beteiligung gefunden hätte, dann säße ich jetzt im Gefängnis, und nicht James.“
„Genau das sage ich ja! James war dein Freund, und er hat dich verraten. Er hat dich viel Geld gekostet und beinah die Firma ruiniert. Schön und gut. Aber er war nicht dein einziger Freund. Rafe war immer für dich da, und wir anderen haben unser Möglichstes getan, damit dir die Sache nicht so zusetzt. Du kannst nicht einfach abtauchen und dich um nichts mehr kümmern. Die Dinge erledigen sich nun einmal nicht von selbst.“
„Wieso ruft Rafe mich nicht an und sagt mir das alles?“
„Wann sollte er denn dafür Zeit haben?“
Darauf fiel Dan keine schlagfertige Entgegnung mehr ein. Er wusste, wie viele Stunden Arbeit die Firma von einem forderte. Er hatte jahrelang seine ganze Zeit investiert, unterstützt von seinem alten Studienfreund und Partner James Williams. Der sich als mieser Dieb entpuppte …
Dan wollte sich nicht daran erinnern. „Ich werde mit Rafe reden“, murmelte er schließlich.
„Wann?“
„Bald.“
„Wie bald?“
„Hör auf, mich zu drängen, Mandy. Ich sagte, ich würde mit ihm reden. Und jetzt gib Ruhe.“
„Du kannst manchmal ein solcher Idiot sein, Dan.“
„Ich liebe dich auch. Gib Angie einen dicken Kuss von ihrem Onkel Dan.“
„Gib ihn ihr selbst!“, fuhr
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