Die purpurnen Flüsse
n un d her , al s imitierte n si e Nebelschwaden . »Wi e ein e Art unterirdische r Krieg , verstehs t du , ei n Krieg , de r vo n Zei t z u Zei t mit eine r sagenhafte n Brutalitä t wiede r ausbricht. « Wege n de s Zustands de r Leich e wa r di e Fra u offensichtlic h i n de r Lag e gewesen , ihre Lüg e übe r de n To d hinau s aufrechtzuerhalten . Abe r warum? Fürchtet e si e weiter e Drohungen ? Auc h nac h de m To d ihrer Tochter?
Noc h einma l durchblättert e e r di e Akt e un d entdeckt e die Unfallfotos . Blut , zerbeulte s Blech , Körperteil e – abgerissene Gliedmaßen , di e au s de m Wage n geschleuder t worde n waren . Er gin g darübe r hinwe g – de r Anblic k wa r ih m i m Momen t zuviel. Dan n stie ß e r au f de n Totenschein , de n Berich t de s Arzte s un d erhielt di e Bestätigung , da ß sic h übe r di e Merkmal e de s Körper s nu r noch spekuliere n ließ.
Benomme n lehnt e sic h Kari m a n di e Wand . Sei n Blic k fie l au f die Uhr : E r hatt e i n de r Ta t zwe i Stunde n totgeschlagen . Un d wa r selbst halbtot.
E s kostet e ih n Mühe , weiterzulesen . Au f eine m Stüc k Karto n fand e r i n blaue r Farb e eine n Fingerabdruc k de r Toten . E r mustert e ihn ein e Weile , dan n fragt e er : »Is t da s wirklic h ih r Fingerabdruck?«
»Ihr ? We n meins t d u damit?«
»Stamm t diese r Fingerabdruc k vo n de m Kind?«
»Ic h kapier ’ dein e Frage n nicht . Ja , natürlic h … Ic h ha b doch selbe r da s Stempelkisse n gehalten . Di e Überrest e de s Körper s waren i m Leichensack , un d de r Dokto r ha t di e Han d geführt . Ein e ganz blutig e klein e Hand . Jesusmaria . Wi r hatte n e s all e eilig, wegzukommen . Mann , ic h träum e noc h heut e manchma l davo n …«
Kari m lie ß di e Akt e i n seine r Lederjack e verschwinden . »Okay. Di e Unterlage n behalt e ich.«
»Ja , nim m si e nu r mit . Un d vie l Glück.«
De r Leutnan t ri ß sic h los , Sternche n tanzte n vo r seine n Augen . Als e r au f seine n Wage n zuging , rie f da s Männche n ih m nach : »Pa ß auf dic h auf.«
Kari m dreht e sic h um . De r Verkehrswächte r stan d au f der Schwell e un d hiel t di e Glastü r mi t de r Schulte r fest , ein e dunkle Gestal t vo r de m erleuchtete n Ausschnitt . »Was? « fragt e Karim.
»Pa ß au f dic h auf , sa g ich . Un d verwechsl e nich t jeman d anderen mi t deine m Schatten. « Kari m lächelt e schief . »Wieso?«
De r Man n zo g sein e Mütz e wiede r über s Gesicht . »Wei l ic h es spüre : D u gehs t zwische n Toten.«
35
»Wa s Si e alle s vo n mi r verlangen , Lieutenan t … Ic h hab e meinen Kollege n vo m Schulam t tatsächlic h erreich t …« , zwitschert e die Schulleiterin , un d ein e munter e Aufregun g schwan g i n ihre r Stimme mit . Kari m hatt e wiede r vo r eine r Telefonzell e gehalten , u m die Direktori n übe r ih r Mobiltelefo n anzurufen.
»De r Nachtportie r ha t sic h breitschlage n lasse n un d uns hereing e …«
»Wa s habe n Si e gefunden?«
»Di e komplett e Akt e vo n Fabienn e Hérault , geboren e Pascaud. Abe r da s is t wiede r ein e Sackgasse . Nac h de n zwe i Jahre n in Sarza c verlier t sic h ihr e Spur . Anscheinen d ha t si e de n Schuldienst quittiert.«
»Kan n ma n nich t herausbekommen , w o si e jetz t lebt?«
»Ic h wüßt e nicht , wie . Ihre n Arbeitsvertra g mi t dem Erziehungsministeriu m ha t si e noc h i m selbe n Jah r gekündig t und sic h seithe r nich t wiede r einstelle n lassen . Da s is t alles . Das Schulam t hatt e keine n Kontak t meh r mi t ihr.«
Kari m stan d a m Ran d eine s Wohnviertel s i n eine m Voror t von Sète . Durc h di e Glasscheibe n sa h e r di e geparkte n Wagen , deren blankpoliert e Karrosserie n i m Lich t de r Straßenlaterne n blitzten . Die Auskunf t erstaunt e ih n nicht . Fabienn e Pascau d hatt e di e Tü r hinter sic h geschlossen . Übe r ihre m Geheimnis . Ihre r Tragödie . Ihren Teufeln.
»Un d w o wa r sie , bevo r si e nac h Sarza c kam?«
»I n Guernon , eine r Universitätsstad t i m Départemen t Isère, oberhal b vo n Grenoble . Abe r si e wa r dor t nu r ei n paa r Monate. Davo r hatt e si e di e Leitun g eine r kleine n Grundschul e i n Taverlay, eine m Dor f au f halbe r Höh e de s Pelvoux , da s is t ei n Ber g dor t i n der Gegend.«
»Habe n Si e irgendwelch e persönliche n Date n rausgekriegt? « In mechanische m To n la s si e vor : »Fabienn e Pascaud , gebore n 194 5 in Corivier , eine m Isère-Tal . 197 0 heirate t
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