Die Qualen der Sophora
Ins Licht, wie sie sagte. Damon hat ihr nur Dunkelheit
gebracht. Heute hat sie sich damit arrangiert. Sie arbeitet als Professorin für
Geschichte und unterrichtet auch die Kinder der Immaculates. Sie liebt Kinder.
Die Freude in den kleinen Seelen gibt ihr Frieden. Damon sah das ein. Er ließ
sie gehen, schwor aber gleichzeitig, nie wieder diese Verantwortung auf sich zu
laden. Bei Nico empfindet er wohl dasselbe wie damals und fürchtet eine
Wiederholung des Ganzen, ohne zu erkennen, dass darin seine Bestimmung liegt
und mit dem sehr starken, konzentrierten Blut, das in Nicos Adern fließt, eine
Umwandlung garantiert gelingt.“
Das Orakel war unbemerkt hinter Devena Imogen getreten
und legte ihr eine Hand trostspendend auf die Schulter, während ihr Mann die
traurige Geschichte seines Sohnes zu einem Abschluss brachte.
„Dein Sohn wurde viel zu lange in dieser Schwäche bestärkt… Und beinahe wäre
seine Zeit deswegen abgelaufen, Imogen! Es ist eine Sache, wenn ein unbedarftes
Kind wie Nico gewisse Zeichen falsch versteht, aber du… Wiederhole die Fehler
der Vergangenheit nicht und lass sie endlich ruhen“, flüsterte sie der für sie
noch jungen Frau ein, bevor sie sich abwandte und neben Aubrey trat, der Nico
so gut verstehen konnte, weil er über sehr lange Zeit so wie das Mädchen
empfunden hatte.
„Ja, du hast Recht. Danke, Salama.“ Imogens Stimme war
nur ein gehauchtes Flüstern, doch in ihren Augen glomm die Entschlossenheit,
ihren Mann nicht mehr länger in seiner Ungewissheit bezüglich ihrer Liebe und
der gemeinsamen Zukunft, die vor ihnen lag, zu lassen.
Wenn er sie denn immer noch wollte, obwohl sie sich so
sehr gegen seine Zuwendung gesträubt hatte. Imogen liebte Aubrey. Sehr sogar,
auch wenn sie ihn immer etwas andere hatte glauben lassen und nach Damon keine
weiteren Nachkommen hatte haben wollen. Sie hatte einfach Angst, die nächste
Liebe in ihrem Leben zu verlieren und es beinahe selbst durch eigenes
Verschulden soweit kommen lassen. Sie brauchte ihn. Aubrey hatte sich in ihr
Herz geschlichen und ihr wurde erst jetzt nach dem Angriff auf Damon bewusst,
wie tief ihr Mann dort verankert war und dass er den Platz des Mannes einnahm,
der einmal als ihr Soulmate gegolten hatte. Es war die Zeit des Vollmonds. Die
ideale Gelegenheit, den ersten Schritt zur Versöhnung zu gehen. Während Salama
zu den anderen sprach und alle bat, sich daran zu erinnern, weswegen sie
hergekommen waren, trat Imogen zurück an Aubreys Seite, bat ihn mit einem
flehenden Blick stillschweigend für ihre Einmischung um Verzeihung und Blake
nahm tatsächlich ihre Hand, um sie an sich zu ziehen, den Arm um sie zu legen
und versöhnlich einen Kuss auf ihre Schläfe zu hauchen. Geduld war eine seiner
stärksten Tugenden und er würde länger als eine Ewigkeit auf sie warten. Weil
er sie liebte.
„Bitte… Es hat schon genug Missverständnisse gegeben.
Wir sind hier zusammen gekommen, um den Bund zweier Krieger zu feiern! Dennoch
möchte ich zum Abschluss einiges sagen, um aufgewühlte Wogen zu glätten!“,
wandte Salama sich dann an die versammelten Gäste, von denen keiner mehr am
Tisch saß.
Die ehrwürdige Dame faltete ihre Hände vor ihrem
Unterleib und suchte Catalinas Blick, deren Augen vor ungeweinten Tränen
glitzerten. Sie war am stärksten mit Nico verbunden. Dasselbe Band teilten
Theron und Orsen, wenn man einem von ihnen Schmerz zufügte, dann spürte es der
andere am eigenen Leib, als wären sie Zwillinge. Und diese Verbindung war noch
nicht komplett, weil Nico noch nicht umgewandelt war, dennoch würden beide
Frauen sie spüren, weil Nico über sehr feine Antennen verfügte.
„Ich ahnte einige Zusammenhänge, aber da Nicolasa
selbst eine Seherin von großer Macht ist, bedeutet das auch, dass sie von einem
gewissen Schutzschild umgeben ist. Wir sehen, was anderen passiert aber höchst
selten Dinge, die uns persönlich betreffen. Diese Verzerrung wird noch dadurch
verstärkt, dass sie das Tor in unsere Welt noch nicht überschritten hat.
Nicolasa hat jedoch ihr Schicksal von Anfang an instinktiv gespürt… Sie sieht
in Damon, was wirklich in ihm steckt, was nicht einmal seinen Eltern
ersichtlich war. Das Bild aus der Zukunft ist mit dem der Gegenwart
verschmolzen und hat sie gewisse Grenzen übertreten lassen… Sie sieht diese
Bilder nicht nur, sie spürt sie auch. So wie sie Nathans Verletzung am eigenen
Leib gespürt hat, nachdem sie uns über die Vision der Quadruga in Kenntnis
gesetzt hat.
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