Die Qualen der Sophora
steinig, Sophos. Das
Ziel zu finden, muss sich für den Reisenden lohnen. Ohne Fleiß kein Preis, wie
die Leute in dieser Zeit und Welt zu sagen pflegen.“
Tiponi legte den Kopf schief und begegnete dem Blick seiner ungewöhnlich weißen
Augen mit ihren schwarzen.
„Nein, eigentlich galt dieses Sprichwort schon immer.
Genauso wie der Blutzoll, den viele nicht immer zu ihren Gunsten gezahlt
haben.“
Damons war anscheinend zu seinem Glück ausgefallen, doch anderen vor ihm war es
nicht so gut ergangen.
Vor ihrem inneren Auge schienen sich Szenen abzuspielen, die ihre Worte
untermauerten. Szenen, die nur ein Krieger mit angesehen haben könnte oder ein
stummer Zeuge, der überlebte. Bilder, von denen dieser Sophos hier, der so jung
und schön war, nicht einmal annähernd eine Vorstellung hatte.
King musterte die Besucherin neugierig, ohne
aufdringlich sein zu wollen. Er musste eben genauer hinsehen als andere, wenn
er Details erkennen wollte. Er hatte zuerst vermutet, sie wäre Asiatin,
allerdings erkannte er an bestimmten Zügen, dass sie wahrscheinlich ihre
Wurzeln im Volk der Einheimischen haben musste. King hatte keinerlei
Berührungsängste, es war aufregend, immer wieder Menschen zu treffen, die
verschiedene kulturelle Einflüsse in sich vereinten. Und das galt umso mehr für
die Immaculate, die so lange lebten, dass manche der hier anwesenden über
Wurzeln im Europa des Mittelalters verfügten oder in der Zeit der Aufklärung.
„Bitte entschuldigt, ich möchte nicht aufdringlich
sein… Ich habe eine Sehbehinderung und sehe anders als gewöhnliche Menschen.
Ich wollte Sie nicht anstarren.“
King verneigte sich erneut, um seine Worte zu unterstreichen. Er wollte in
keinem Fall, dass sich die Frau in seiner Nähe unwohl fühlte. Wie er trug sie
ihre dunklen Haare in einem schweren Zopf, der auf ihren Rücken fiel. Er selbst
trug noch die Sachen vom Vorabend, allerdings hatte er das Jackett und die
Fliege abgelegt und die Ärmel aufgekrempelt, um es sich etwas bequemer zu
machen.
King verschränkte die Arme vor der Brust und wandte
sich ein wenig von ihr ab, um auf Damon herabzusehen. Er empfand keine Wut und
hatte auch nicht das Bedürfnis, Nico zu rächen. Selbst wenn er nicht alle
Einzelheiten kannte, hatte er gestern mitbekommen, dass es ein tiefer liegendes
Problem gab, das zu dem Missverständnis zwischen Nico und Damon geführt hatte.
Ein Teil von Damons Seele war durch Ängste infiziert worden und diese Gefühle
hatten sich über Jahrhunderte verhärtet. Nicos Liebe allein hatte nicht ausgereicht,
um diesen Klumpen aufzulösen, der ihm seine Seele vergiftete.
Tiponi hatte gar nicht gemerkt, wie er sie ansah. Sie
blickte mittlerweile wieder auf Damon herunter und lauschte den Stimmen der
Vergangenheit in ihrem Kopf. Stimmen, die längst vergangen waren, aber sie
durchaus einiges gelehrt hatten.
„Was? Oh ja, Eure Augen. Man könnte meinen, Ihr seid blind, doch Ihr seht
genug, um in die Gilde der Krieger aufgenommen zu werden, nachdem man Euch
schon zu einem Sophos berufen hat.“
Sie ließ von Damon ab. Dieser bewegte sich leicht im Schlaf und sie fürchtete
schon, er könnte aufwachen, doch er drehte sich nur einmal in den Laken herum
auf die Seite und schlief weiter den Schlaf der Gerechten. Bemerkenswert.
Nun war es King, der auf Damon herabsah, während Tiponi ihn eingehend musterte
und sich fragte, wie viel dieser Mann über das ihm oder seinen Mitstreitern
bestimmte Schicksal wusste, wo er doch den Status eines Sehers inne hatte. Er
erschien ihr sehr klug, geschickt und gewandt. Obwohl er auf diesem Stuhl saß
und so tat, als würde er sich in dieser neuen, mit den Armen vor der Brust
verschränkten Haltung entspannen, wusste sie sofort, dass er jederzeit bereit
war, seinen Gegner niederzustrecken.
„Die Sonne wird bald aufgehen… Wird das Auswirkungen
auf seinen Zustand haben?“, fragte King, ohne seine Gedanken bezüglich Damon
preiszugeben.
Er hatte ja keine Ahnung, in welcher Beziehung die Heilerin zu dem Krieger
stand. Er war in dieser Welt neu und übte lieber Zurückhaltung.
„Die Sonne wird ihm nichts anhaben. Ihr habt Euch gut
um ihn gekümmert. Der Krieger wird in noch tieferen Schlaf fallen. Sein Körper
funktioniert so wie ein Tier, das Winterschlaf hält, während er heilt. Die
Arbeit ist bald getan. Er wird noch ein paar Stunden ruhen, dann sollte er am
Ziel des ersten Weges angekommen sein. Doch es liegen noch viele Meilen vor
ihm. Er hat die Sophora noch nicht
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