Die Qualen der Sophora
weggedriftet, ohne von belastenden Träumen verfolgt zu werden,
weil sie sicher sein konnte, wieder in Nathans beschützender Umarmung
aufzuwachen.
6. Ein Akt der Verzweiflung
Montag, 30. Juli; morgens
Ganz langsam, um nichts was sich auf dem Tablett
stapelte zu verschütten, bahnte sich Tiponi einen Weg durch den langen Flur bis
zur Zimmertür, hinter der der Krieger Damon Arcus immer noch gegen seine
Dämonen kämpfte. Sie trug immer noch das weiße, spitzenbesetzte Nachthemd, das
Dovie ihr bereit gelegt hatte, damit sie bequem schlafen konnte, nachdem sie die
Hochzeitsfeierlichkeiten zum zweiten Mal nach der Extraeinladung Therons
verließ. Die langen schwarzen Haare waren zu einem dicken Zopf geflochten, der
ihr über die linke Schulter fiel. Einzelne Strähnen hatten sich gelöst und
umrahmten ihr exotisches Gesicht.
Sie war schon vor Sonnenaufgang wach geworden und
hatte es kaum erwarten können, dass die Küche im Schloss des Orakels zum Leben
erwachte, obwohl auch den Angestellten ein paar Stunden Ruhe zu gönnen war,
nachdem sie in Windeseile ein festliches Bankett auf die Beine gestellt hatten
und die nächste Nacht noch Stunden entfernt lag. Ihre Wolfhündin Rowtag blieb
dicht an ihrer Seite, nachdem sie in der Küche schon ein opulentes
Wurstfrühstück verspeist hatte und genau wie ihre Herrin, die nun weiteres Frühstück
für den Krieger und den Sophos vor sich hertrug, guter Laune war.
An der Tür zu Damons Reich bellte Rowtag leise, sprang
dann an die Klinke hoch und öffnete sie. Es ging ganz leicht. Sie konnte viele
Kunststückchen. Aber nicht nur das. Mit einem Blick voller Stolz bedachte
Tiponi das braungraue Tier, das nicht nur eine wunderbare Gefährtin sondern
auch eine überaus würdige Partnerin im Kampf darstellte. Dank ihres Blutes
lebten ihre Tiere immer etwas länger als gewöhnlich. Doch die nächste Generation
wuchs bereits im Leib der Hündin heran. Irgendwann war man eben zu alt, um zu
kämpfen. Tiponi würde einen der Welpen behalten, um ihn als Nachfolger für
Rowtag heranzuziehen und die anderen an Mitglieder des Ordens weiterreichen,
sobald sie ihr Leben allein in guten Händen bestreiten konnten.
Die Sophora hatte vielleicht auch Freude an einem kleinen Hündchen, der ihr ein
besserer Gefährte sein würde als der Mann, der schlafend in den dicken Kissen
seines Bettes lag, während der Sophos auf einem Stuhl daneben saß. Aufrecht und
mit allen Sinnen anwesend. Ein großer, zukünftiger
Krieger.
Tiponi trat leise ein. Rowtag tapste auf King zu, um
ihn als ersten zu begrüßen, während ihre Herrin das Tablett auf eine Kommode
stellte und die umgedrehten Tassen richtig auf die Untertassen platzierte,
bevor sie sich dem Bett zuwandte und den Sophos nach Damons Befinden fragte.
Dabei ignorierte sie die ganze Zeit geflissentlich einen Befehl, der ihr
sozusagen von oberster Stelle gegeben worden war. Sie durfte eigentlich nicht
hier sein. Nicht einmal, um Frühstück zu bringen und tat es trotzdem. Unter dem
Deckmantel der guten Tat würde es ihr doch wohl erlaubt sein, nach dem Krieger
zu sehen und zu prüfen, ob ihr Blut wirklich ausgereicht hatte.
Damon Archer hatte viel davon gebraucht. Er hatte so
hart und gierig getrunken, dass ihr gestern nach Sekunden die Sinne geschwunden
waren. In einem Bett in einem anderen Raum, der ihre Herberge für diese Nacht
gewesen war, war sie das erste Mal aufgewacht. Die Frau des Kriegers Orsen
versorgte sie und nach einer Weile ging es ihr wieder besser.
Abgesehen von der kleinen, einschüchternden Begegnung mit Theron. Die
Erinnerung an das Waldszenario jagte ihr jetzt noch einen Schauer über den
Rücken. Seine Präsenz war einschüchternd gewesen und die Art, wie er ihr seine
Ergebenheit aufzwang, absolut nicht die ihre.
„Ich habe etwas zu essen mitgebracht, Sophos. Tee und
Kaffee, weil wir nicht bestimmen wollten, was Euch lieber sein könnte“, sagte
sie leise, während sie mit einer Hand über Damons Stirn strich. Kühl und
trocken. Kein Fieber. Die Gesichtsfarbe war rosig und von tiefdunklen
Bartstoppeln gesprenkelt, die sie lächeln ließen. Er hatte wieder zu sich
zurück gefunden. Von dem Gift in seinem Körper war nichts mehr übrig. Er atmete
ruhig und normal, sein Herzschlag war der eines kräftigen gesunden Mannes.
King war Damon wie versprochen nicht von der Seite
gewichen, er war an durchwachte Nächte gewöhnt. Im Kloster hatte er oft
tagelang ohne Pause meditiert, um seine Kräfte zu fokussieren. Er
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