Die Queen macht Ferien (German Edition)
wie ich. Aber nein, sie muss weiterarbeiten, Tag ein und aus. Sicher, sie hat weniger offizielle Termine als früher, aber trotzdem, ich würde es hassen so lange noch aktiv sein zu müssen. Und auch noch ständig im kritischen Blickfeld der Öffentlichkeit. Eines ist doch wohl klar: selbst wenn sie abtreten würde, sie ist doch ihr ganzes Leben lang die Queen und sie ist darin gefangen und kann da nie heraus. Jemals. “
Die Queen hörte ihr still zu. Wie wahr. Dann fragte sie: „ Haben sie jemals darüber nachgedacht, wie Ihr Leben hätte anders sein können, wenn sie in einer anderen Situation gewesen wären? Wenn Sie – sagen wir mal – eine Bauersfrau gewesen wären, oder, meinetwegen auch“, sie zögerte, „ die Queen? “
„ Nun, ich hatte vor zwanzig Jahren die Gelegenheit, über mein Leben gründlich nachzudenken. “
„ Wie das? “
„ Ich war sozusagen mitten im Leben; unterrichtete, zog unsere Kinder auf, war fröhlich und geschäftig, als ich eines Tages schwer erkrankte. Es war Krebs. “
„ Arme Frau“, sagte die Queen mitfühlend.
„ Oh, ich betrachtete mich nicht als 'arm'. Gott sei Dank sah ich alles sehr sachlich. Ich glaube, wir Lehrerinnen haben sehr gute Nerven. “
Sie lächelte die Queen an.
Dann sprach sie weiter: „ Es war zunächst ganz eigenartig, so ans Bett gebunden zu sein, besonders, da mein Leben vorher so quirlig gewesen war. Mit einem Mal hatte ich tatsächlich Zeit, einmal nachzudenken. “
Sie verstummte.
Der Kellner brachte das Essen und sie fingen an, ihre Suppe zu löffeln. Es war eine Selleriekremsuppe, schön würzig mit einem großen Klecks Creme Fraiche oben drauf.
„ Ich dachte an all die Dinge, die ich noch nie getan hatte. Es ist seltsam, aber man merkt erst wie kostbar das Leben ist, wenn man in der Gefahr steht, es zu verlieren. Ich fragte mich, was ich mit meinem Leben anfangen würde, wenn ich aus irgend einem Grund tatsächlich überleben würde. Vielleicht alles verkaufen und eine Weltreise machen? Vielleicht irgendetwas Humanitäres tun, so wie Mutter Theresa? “
„ Vielleicht irgendwelche wilden Hobbys aufnehmen, wie Bungee-jumping oder Bergsteigen? “, schlug die Queen vor.
Ich würde so gerne einmal Bungee-jumpen, dachte sie sehnsüchtig. Sie rührte in ihrer Suppe und starrte hinein. Aus irgendeinem Grund musste sie an den Papst Johannes II denken, der ein begeisterter Skifahrer gewesen war, aber irgendwann damit aufgehört hatte, als er Papst geworden war.
Gill sprach weiter: „ ...und dann wurde ich tatsächlich wieder gesund, denn wie Sie sehen, sitze ich hier nach zwanzig Jahren. “
„ Das klingt nach einem Wunder. “
„ Es war ein Wunder. Sogar meine Ärzte meinten das. “
„ Und was taten Sie dann? “
„ Lachen Sie mich bitte nicht aus; i ch kehrte einfach in mein altes Leben zurück und lebte so wie früher; kümmerte mich um meine Familie, unterrichtete meine Schüler und ging meinen alten, äußerst spießigen Hobbys nach: Singen im Kirchenchor, Gartenarbeit... “
Die Queen lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah sie mit gerunzelter Stirn an.
„ Ich hätte nun doch gemeint, dass diese Art Erfahrung einen dazu bringen würde, sein Leben zu ändern. So wie Sie es gerade schon sagten. “
Gills Augen funkelten.
„ Aber es hat sich ja verändert. Nur kann man es nicht sehen. So unendlich viel hat sich geändert. Weil mein Leben mir fast weggeschnappt wurde, wurden Sachen, die mir früher furchtbar wichtig waren, zu Nebensächlichkeiten und andere Dinge – ich behaupte mal sie sind die wirklich wichtigen Dinge – ersetzten sie. “
„ Welche Dinge? “
„ Das Leben als großes Geschenk zu begreifen. Ich sorge mich auch nicht mehr so viel um die Zukunft. Ich habe gelernt, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Und das Allerwichtigste: ich habe gelernt, dass ich an meinem Leben absolut nichts verändern möchte.
„ Gut, manchen Leute verspüren vielleicht den Drang, das zu tun. Dann sollen sie das auch. Aber ich bin überzeugt, dass jeder ungemein wichtig ist, genau da, wo er im Leben steht. Ich hätte es nicht wirklich übers Herz bringen können, meine Familie oder Schüler für irgendwelche Abenteuer zu verlassen. “
„ Nicht einmal für Bungee-Jumping? “, warf die die Queen ein.
Gill lächelte, ging aber darauf nicht weiter ein. Stattdessen sagte sie: „ Es ist gut, dein Leben zu leben und alles so gut zu machen, wie du kannst. Man muss nicht jemand anderes sein. Nur das eigene Leben
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