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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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mit einem längeren Bart, einer kräftigeren Stimme und einem durchdringenderen Blick.
    Diese Einfältigen unter den Hebräern sahen nun, wie Prozessionen der Kanaaniter zum Berg im Norden hinaufzogen, zu Baals Stätte. Sie wurden Zeuge, wieviel Freude die Menschen dabei empfanden. Und so kamen sie auf den Gedanken, daß Baal, der auf dem Berg wohnte, und El-Schaddai, von dem ein gleiches galt, doch wohl viel Gemeinsames haben müßten. Heimlich erst, dann vor aller Augen fingen sie an, den Pfad zu Baals Berg hinaufzusteigen. Dort oben, auf dem höchsten Felsen, fanden sie einen ragenden Monolithen - etwas Sichtbares und Greifbares, das sie zu verstehen vermochten. Nach langem Suchen am Hang des Berges fanden einige Hebräer einen Stein, der so groß war wie der des Baal. Mit vieler Mühe schleppten sie ihn in einer dunklen Nacht auf die Spitze des Berges, wo sie ihn unweit der Wohnstätte Baals aufstellten.
    Aber noch ehe Uriel und Zadok von dieser Ungeheuerlichkeit erfuhren, hatte sich nicht minder Schlimmes ereignet. Drei Hebräermädchen gingen mit ihren Wasserkrügen durch Makor, als sie erregte Stimmen hörten und im Gedränge des Volks von der Hauptstraße fort zu einem kleinen Tempel geschoben wurden. Er war der Astarte geweiht. Vor seinen Toren tanzte ein junger Mann, nackt und so, wie sie es noch nie gesehen hatten, und am Ende seines wollüstigen Tanzes lief eine Frau aus der Menge zu ihm hinauf, warf ebenfalls ihre Kleider ab und umarmte ihn leidenschaftlich, worauf er sie unter dem Beifall der Zuschauer in den kleinen Tempel führte. Die Mädchen meldeten Zadok ihr Erlebnis nicht; um die Lagerfeuer der Hebräer aber gab es viel Getuschel, und tags darauf schlenderten Zadoks Söhne Epher und Ibscha in die Stadt, um sich das Schauspiel anzusehen. Diesmal allerdings tanzte eine Frau, und ein Mann eilte schließlich aus der lüstern gaffenden Menge zu ihr. Epher fragte: »Was geht da vor sich?« Ein Kanaaniter erklärte: »Eine heilige Handlung, um das Wachstum unserer Saat zu sichern.«
    »Kann jeder.?«
    »Falls du ein Bauer bist.« Der Kanaaniter führte die beiden Hebräer zum Tempel, schlug gegen das Tor und sagte zu dem gefälligen Mädchen, das öffnete: »Die zwei sind Bauern. Sie möchten beten.« Sie geleitete Epher zu einem Erlebnis, das die Geschehnisse des Sommers mitbestimmen sollte.
    Auch an diesem Abend wurde im Hebräerlager geflüstert und getuschelt, und an den folgenden Tagen verließen mehrere Männer ihre Arbeit und schlichen in die Stadt. Zadok erfuhr von alledem erst, als eine jung verheiratete Frau namens Jael sich schuldig machte. Wie sonst auch war sie mit ihrem Wasserkrug zur Stadt gegangen, hatte sich dann heimlich zum kleinen Tempel begeben und dort gewartet, bis der Nackte mit seinem Tanz fertig war und sie nach vorn laufen konnte. Aber ihren Wasserkrug hatte sie neben der Tür des Tempels stehen lassen. Als Zadok von diesem Ärgernis hörte, schlug er sich vor die Stirn und ließ sofort das Widderhorn blasen. Da ahnten die Hebräer, daß Übles ruchbar geworden war. Zerknirscht versammelten sie sich, denn viele Männer und Frauen wußten, warum El-Schaddai ergrimmt war. Sie waren bereit zu sühnen. Zornig forderte Zadok, was das alte Gesetz verlangte: Das ehrvergessene Weib Jael müsse zu Tode gesteinigt werden. Aber drei Männer, die gleiche Schuld auf sich geladen hatten, ließen sie verschwinden und verschafften ihr Zuflucht in der Stadt.
    Noch am selben Abend erfuhr Zadok auch von dem Stein, der für El-Schaddai errichtet worden war. Am frühen Morgen nahm er seinen Stab und stieg den Pfad zum Gipfel hinauf. Hier sah er zum erstenmal den Monolithen des Baal, vor dem er sich in schuldiger Achtung verneigte. Neben dem alten Stein aber stand ein anderer, erst kürzlich aufgestellter - der Stein zu Ehren des unsichtbaren Gottes der Hebräer, mit Blumen geschmückt und zu seinen Füßen der Kopf eines geschlachteten Lammes. »Greuel!« schrie er, stieß den Lammskopf mit seinem Stab beiseite und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Stein, um ihn den Hang hinabzustürzen. Vergebens. Der Stein stand fest, als wolle er seiner spotten. Verstört und voll banger Gedanken schritt der alte Mann den Berg hinab, geradenwegs nach Makor. Zum erstenmal seit Abschluß des Vertrages betrat er die Stadt, um sich mit eigenen Augen den Tempel anzusehen. Getanzt wurde nicht, aber Zadok konnte sich vorstellen, was für Greuel auch hier geschehen waren. Angewidert entfernte er sich und suchte

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