Die Quelle
den Statthalter auf, den er sofort mit harten Fragen bedrängte: »Hast du der Hure Jael Zuflucht gegeben?«
»Eine Frau ist zu uns gekommen.«
»Sind in diesem Tempel männliche und weibliche Huren?«
»Seit Menschengedenken verehren wir Astarte.«
»Hast du deine Zustimmung gegeben, daß ein Stein für El-Schaddai aufgerichtet wird? Oben auf dem Berg deines eigenen Gottes?«
Uriels Miene verfinsterte sich. Niemand hatte ihm bisher von dem Monolithen berichtet. Wenn aber ein solcher Stein errichtet worden war, konnte das böse Folgen haben. Von den Besuchen hebräischer Männer und Frauen bei den heiligen Huren und Lustknaben allerdings hatte er gewußt. Und hatte sie gebilligt. War es nicht gut für Makor, wenn dafür gesorgt wurde, daß auch die hebräischen Bauern eine möglichst große Ernte einbrachten? Und hatte sich nicht seit uralten Zeiten erwiesen, daß nur die Verehrung Astartes eine gute Ernte gewährleistete? Jaels Eintreffen in der Stadt war ihm gemeldet worden, und er selbst hatte sie ins Haus eines verwitweten Kanaaniters bringen lassen. Denn Heiraten zwischen den Alteingesessenen und den Zugewanderten, seit eh und je üblich, konnten nur die Angleichung beschleunigen. Uriel rechnete sogar damit, daß noch mehr Hebräer sich innerhalb der Stadt ansiedeln würden. Und er hatte auch gar nichts dagegen, wenn eines Tages Kanaaniter hinauszogen, um Hebräerinnen zu heiraten. Soweit er sehen konnte, waren ihre Weiber anziehend.
Daß man aber einem fremden Gott einen Stein errichtet hatte, noch dazu auf der Höhe, die Baal allein zustand, war ein Frevel, den er nicht dulden konnte. Uriel rief seine Wachen und machte sich mit Zadok auf den Weg, um sich von der Lästerung zu überzeugen. Als die beiden den Pfad erklommen hatten, sahen sie mit dem gleichen Widerwillen auf den neuen Monolithen für El-Schaddai - Uriel zugleich voller Entsetzen, weil er an die Oberhoheit Baals glaubte, den er als eifersüchtigen Gott kannte, und Zadok voll Empörung, weil man hier El-Schaddai herabgewürdigt hatte, als sei Er nicht mehr als ein weiterer kanaanitischer Gott, darstellbar durch einen Stein. Zu Uriels Überraschung zeigte sich der Alte ebenso entschlossen wie er selbst, den Stein zu entfernen. Männer der Wache mußten mit ihren Speeren die Erde um den neuen Monolithen lockern. Dann stürzten beide den ihnen gleichermaßen gotteslästerlichen Stein um: Polternd kollerte er den Abhang hinunter.
Die Krieger rückten ab. Uriel und Zadok blieben allein auf dem Gipfel des Berges, um sich über den Vorfall auszusprechen. Und dabei wurde zum erstenmal offenkundig, wie sehr ihre Ansichten auseinandergingen.
ZADOK: Du darfst meinen Hebräern nie mehr erlauben, eure heiligen Dirnen zu besuchen.
uriel : Eines Tages werden wir ein Volk sein, in Eintracht miteinander leben und dieselben Götter verehren.
ZADOK: Einer solchen Vermischung werde ich mich stets widersetzen.
uriel : Glaubst du, unsere beiden Völker könnten Seite an Seite leben, ohne zu geben und zu nehmen?
ZADOK: Ich glaube, daß du deinen Göttern folgen mußt. Wir müssen El-Schaddai folgen.
uriel : Dennoch hast du mir eben geholfen, den Stein deines Gottes zu zerstören.
ZADOK: Warum, meinst du, habe ich es getan? uriel : Aus Ehrfurcht vor Baal, der über diese Stadt herrscht. ZADOK: Ich bin erstaunt. Verstehst du nicht, daß ich den leblosen Stein umgestürzt habe, weil er eine Lästerung des Einen Gottes war, der keiner irdischen Wohnung bedarf?
URIEL: Willst du damit sagen, daß dein Gott größer als Baal sei?
zadok : Ich achte Baal. weil ich Achtung für dich empfinde. Ich achte ihn ebenso sehr wie eine alte Frau mit neunzehn Enkelsöhnen. Mehr aber nicht. Baal muß eines Tages untergehen, denn er ist nur ein Ding. El-Schaddai wird ewig leben, weil Er kein Ding ist.
URIEL: So glaubst du, daß dein Gott siegen wird? zadok : Ich glaube es!
uriel : Und du erwartest, daß ihr auf jenen Feldern dort drüben leben könnt. für zahllose Geschlechter? Dein Gott in Feindschaft mit meinem?
ZADOK: Die Feindschaft wird nicht lange dauern. Bald wird dein Volk gleich dem meinen den Einen Gott anerkennen. Und wir werden in Frieden leben.
URIEL: Inzwischen aber verbietest du deinen Leuten, Baal und Astarte zu verehren? Du verbietest ihnen, sich mit uns zu vermischen, wie es bei uns üblich ist? zadok : Ich weigere mich, Greueln Vorschub zu leisten. uriel : Du wagst es, Baal und Astarte diesen Namen. zadok : Für dein Volk sind es rechtmäßige Götter.
Weitere Kostenlose Bücher