Die Quelle
Umgackert von Hühnern, dozierte Tabari: »Völlig andere Bauweise. Keine Elektrizität. Kein Herd. Tongefäße, wie sie vor zweitausend Jahren in Gebrauch waren. Keine Bücher. Ein Bild mit arabischen Schriftzeichen, Kleider wie vor Hunderten von Jahren. Was du dir aber vornehmlich ansehen solltest, ist diese Weizenmühle. Sie besteht nur aus Holz. Doch sage mir -woraus sind die kleinen vorstehenden Dinger, mit denen das Korn zerkleinert wird?«
Cullinane ging in die Knie, um die alte Handmühle zu untersuchen, an deren oberem Teil kleine Zacken zu sehen waren. »Sind sie wirklich, wofür ich sie halte?« fragte er.
»Aus Metall sind sie nicht«, sagte Tabari.
»Feuersteine sind es«, sagte Cullinane. »Woher bekommen die heutzutage Feuersteine?«
»Von daher, wo die Leute in Makor ihn vor zehntausend Jahren holten«, antwortete Tabari. In arabischer Sprache wandte er sich an den Besitzer der Mühle. »Stimmt«, sagte er. »Steinbröckchen aus dem Bett des Wadi.« Die drei Archäologen gingen zum Jeep zurück. Tabari sagte: »Bevor du mir erzählst, wie du diese Araberhütte datieren wirst, wenn wir sie ausgraben, wollen wir uns Nummer vier anschauen.« Er fuhr zu einem Hohlweg. Zu Fuß kletterten sie die Böschung hoch, bis sie zu einer Höhle gelangten. Sie traten zum Eingang und riefen hinein. Aus der dunklen Tiefe antwortete eine mürrische Stimme. Sie krochen ins Innere und stießen auf einen alten Mann, der dort mit seinen Ziegen hauste. »Diese Höhle ist seit mindestens dreißigtausend Jahren auf die gleiche Weise bewohnt worden«, flüsterte Eliav. »Das einzige, woran ich erkennen könnte, daß es sich um das zwanzigste Jahrhundert handelt, sind die Plastikknöpfe am Hemd des Alten.«
»Irrtum«, sagte Cullinane beim Untersuchen der Ecke, in der die Ziegen schliefen. »Hier ist noch eine dänische Bierflasche.«
»Angenommen, du gräbst das aus«, fuhr Tabari fort. »Du würdest schwören, sie sei aus einer ganz anderen Schicht hierhergeraten.« Er gab dem alten Mann drei Pfund und sagte: »Kaufen Sie sich noch etwas Bier.«
Als sie zum Jeep hinunterstiegen, erklärte Eliav: »Sehen Sie, John: Genau das haben wir gemeint, als wir Ihren Entwurf kritisierten. Im modernen Israel finden wir im Umkreis weniger Kilometer ein Haus von 1964, eines aus dem Jahre 1920, eines von 1300 und eine Höhle, die in wer weiß welche Zeit zurückreicht. Trotzdem existieren sie nebeneinander, und alle vier zusammen erst geben ein Abbild unserer Kultur. Glauben Sie nicht auch, daß Makor zu König Davids Zeit ebenso vielgestaltig gewesen sein muß?«
»Ich bin von der Stichhaltigkeit Ihrer Schlußfolgerung nicht überzeugt«, sagte Cullinane vorsichtig. »Heute haben wir so sehr viel mehr Schichten mit allen möglichen Überresten aus der Vergangenheit. Aber König David kann doch schließlich nur Häuser aus allerhöchstens vier oder fünf Schichten gesehen haben.«
»Zugegeben. Aber die Gleichförmigkeit, von der Sie schreiben, gab es wahrscheinlich nicht.«
»Was zu beweisen war«, gab Cullinane zu. Er stand auf der Fahrbahn und versuchte, das Ergebnis dieses Ausflugs zusammenzufassen. »In Akko, das neue Haus.«
Tabari unterbrach ihn. »Am ersten Tag hast du dich orientiert, indem du nach Westen zeigtest, nach Akko. Suchst du immer noch zuerst den Westen?« Der Ire überlegte einen Augenblick und sagte dann: »In Israel, ja.«
»Warum?« fragte Tabari.
»Ich weiß nicht«, antwortete Cullinane. Nach einer Weile brachte er zögernd vor: »Als Kind habe ich eine Menge über Jesus zu hören bekommen.« Er zeigte über die Schulter zurück nach Galilaea. »Aber das Heilige Land wurde für mich erst lebendige Wirklichkeit, als ich von den Kreuzrittern las. Damals bin ich wochenlang umhergegangen und habe mir vorgestellt, ich sei in dem Schiff, das Richard Löwenherz nach Acre bringt.«
»Interessant«, sagte Tabari. »Du hast dir ausgemalt, du betrittst die Küste, um das Heilige Land zu retten. Deshalb also hast du dich immer an die Richtung West - Ost gehalten.«
»Für mich liegt Israel im Osten.«
»Äußerst merkwürdig«, sagte Eliav mit unterdrückter Begeisterung. »Ich habe es immer in nord-südlicher Richtung liegen sehen. Ich bin Abraham, der von Norden her zuwandert und dieses herrliche Land zum erstenmal sieht. Oder ich bin ein Jude aus der Zeit König Salomos, bin hier oben postiert und blicke nach Süden, nach Jerusalem.« Er zögerte und fügte dann hinzu: »Ich habe Israel zum erstenmal von
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