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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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»Ich gehe nach Jerusalem. Mit Gerschom. Und bleibe bei ihm bis ans Ende meiner Tage.«
    Später erinnerte sie sich, daß ihr dicker, kleiner Mann bei diesen Worten genau wie ein Wiedehopf ausgesehen hatte, den Hals hierhin und dorthin drehend, als suche er ein Loch, in das er seinen närrischen, seinen liebenswerten, seinen lächerlichen Kopf stecken konnte. »Das darfst du doch nicht«, sagte er fassungslos und folgte ihr von Zimmer zu Zimmer, während sie das Notwendigste zusammenpackte. Als sie in den Raum kamen, in dem sie in Leidenschaft ihre Nächte verbracht hatten, bat er sie: »Nimm wenigstens die Kette mit.« Aber sie ließ sie liegen, ohne ihm zu sagen, daß dieser protzige phönizische Tand ihr nichts bedeute; das Bernsteinstück in der persischen Silberfassung aber nahm sie mit. An der Tür des
    Hauses beim großen Schacht, von dessen Bau sie sich so viel erhofft hatte, ohne auch nur das geringste zu erreichen, sagte sie dem kleinen Baumeister Lebewohl. Mitleiderregend, mit zitternder Stimme, fragte er abermals, warum das denn sein müsse. Kerith konnte nur sagen: »Bleib du in Makor bei den alten Göttern. Ich kann es nicht.« Und dann war sie fort.
    In seiner Verzweiflung, allein mit den beiden Kindern, die von ihrer Mutter verlassen worden waren, und mit dem Stollen, von dem der König nichts hatte wissen wollen, suchte Wiedehopf den einzigen Mann, der ihm Trost und Rat geben konnte. Im grauen Abendlicht ging er zum Nordtor, wo Meschab an dem Turm arbeitete, der die letzte Spur beseitigen sollte. Verzweifelt bat er Meschab, mit Kerith zu reden. Aber zu seiner Überraschung weigerte sich der Moabiter, den Turm zu verlassen. »Ich halte mich verborgen, bis David Makor verläßt«, erklärte er.
    »Aber warum?« fragte Wiedehopf. Nichts von dem, was um ihn geschah, vermochte er zu begreifen. »David haßt mein Volk zu sehr.«
    »Aber die Mutter seines Großvaters war doch eine Moabitin«, widersprach Wiedehopf. So flehend wurde sein Bitten, daß Meschab die Kelle niederlegte, sich die Hände wusch und, obwohl er wußte, was ihm geschehen konnte, sich bereiterklärte, mit Kerith zu reden. Als aber die beiden Männer vom Nordtor in die Stadt gingen, sah ein Hauptmann König Davids den Moabiter und lief schreiend durch die Straßen: »Der Mörder von Moab ist unter uns.« Meschab wollte zurück zur Mauer laufen, aber schon schnitten ihm funkelnde Speere den Weg ab. Deshalb tat er, was er schon lange geplant hatte, falls er einmal in die Falle geraten sollte. Er rannte an dem Schacht vorbei zum Tempel. Hier kniete er vor dem Altar nieder und packte zwei der steinernen Hörner.
    Wiedehopf hatte ihn kaum eingeholt, als Krieger am Tor des Tempels erschienen. Sie zogen sich zurück, sobald sie sahen, daß der Moabiter beim Altar Schutz gefunden hatte. Kurz darauf aber kam König David selbst, ohne Abisag, allein und sehr alt. Weiß vor Zorn, eilte er zum Altar. »Bist du der Meschab, dem ich in Moab das Leben geschenkt habe?«
    »Der bin ich. An der Freistatt hier habe ich Schutz gesucht.«
    »Hast du Jerebasch umgebracht, den Bruder Amrams?«
    »Ja, im Kampf.«
    »Und hast den Tempel Jahwes zerstört?«
    »Bei der Belagerung, ja.«
    »Du hast keinen Schutz.«
    »Ich bitte um den Schutz der Freistatt, wie du ihn gewährst.«
    »Ich verweigere ihn!« donnerte David. »Ich habe dich einmal begnadigt, und du hast wieder gegen mich gekämpft. Wachen, ergreift ihn!«
    Ein erbitterter Kampf entbrannte, denn lebend wollte Meschab nicht in die Hände der Krieger fallen. Wiedehopf eilte seinem Freund zu Hilfe. Laut rief er dem König zu: »Er ist ein freier Mann, der Zuflucht sucht.«
    »Er hat Jahwe herausgefordert!« schrie David, rasend vor Zorn. Die Wächter stießen Wiedehopf zur Seite. Im Fallen rief er nochmals: »David, beflecke nicht das Heiligtum!« Aber da trat ihm ein Soldat ins Gesicht. Sein Mund füllte sich mit Blut.
    Jetzt stürzten sich die Wachen auf den Moabiter. Der verteidigte sich mit dem Mut der Verzweiflung, bis ihrer zehn ihn vom Altar wegschleiften, der umfiel und in zwei Stücke zerbrach. Der Anblick des zerstörten Altars versetzte David in noch größere Wut. Mit dem ganzen Haß, dessen er fähig war, schrie er: »Tötet ihn!« Sieben Männer stürzten sich mit Speeren auf den einstigen Sklaven. Der aber packte die Waffen mit seinen mächtigen Armen so, daß ihm alle sieben Spitzen zugleich in die Brust drangen. Tot fiel er vor dem König nieder. Immer wieder stachen die Wachen auf ihn ein.

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