Die Quelle
sich nach Osten und Süden aus. Wir hingegen lagen ganz am Rand, sehr nahe der Grenze des zur römischen Provinz Syrien gehörenden Phöniziens, und von diesem Gebiet des Römischen Reiches wurden wir vor allem beeinflußt. Wir sprechen Griechisch, wie es dort üblich ist, wir verehren die Götter Roms, wir besuchen das römische Theater oder die schöne Arena in Ptolemais, die ich für die Gladiatorenkämpfe errichtet habe. Politisch aber sind wir ein Teil des Königreichs Judaea, und jüdische Familien wie die meiner Frau stehen bei den Bürgern der Stadt in hohem Ansehen, wenn auch die wichtigeren und besser besoldeten Stellen mit Römern gleich mir besetzt sind.
Die Größe des Forums von Makor war durch die Lage des Jupitertempels im Süden und des Palastes für den Landvogt im Norden bestimmt. An der Westseite habe ich drei kleine Tempel gebaut - vorzügliche Arbeit, wie der König sagte. Der mittlere wurde der Venus geweiht. Ich habe ihn immer besonders gern gehabt, diesen kleinen Marmorbau mit seinen sechs ionischen Säulen, so leicht, daß sie gewichtslos zu schweben schienen. Welche Ironie des Schicksals, daß ich jetzt gerade in diesem Tempel gefangen sitze! Aber wenn es stimmt, daß jeder sich im Leben sein eigenes Gefängnis baut und es so bewohnt, wie die Muscheln und Krebse am Strand von Caesarea ihre Schalen, dann habe ich mir zumindest ein prächtiges Gefängnis gebaut, das genau zu dem Mann paßt, der ich stets habe sein wollen. Und wenn ich heute sterben muß, dann lieber hier als irgendwo sonst in Judaea. Ich kenne auch in den anderen Städten des Königreiches und Syriens, in denen ich Bauten errichtet habe, die als Gefängnis für mich in Frage kämen, kein einziges, das passender für mich wäre. Die Paläste in Antiochia sind zu gewaltig. Das großartige Forum in Jerusalem ist zu unpersönlich. Und die Pracht von Caesarea hat immer dem König gehört und niemals mir. Doch diesen schönen und stillen Ort am Rande Judaeas habe ich, so scheint mir, von Anfang an als den für mich rechten Ort zum Sterben geplant.
Ich blicke aus dem Venustempel, vorbei an den halb schlafenden Wachen, auf die gegenüberliegende Seite des Forums, auf das Gebäude, das mein ganz besonderer Stolz ist. Fast in voller Länge des Forums erstreckt es sich von dem alten griechischen Tempel (jetzt dem des Jupiter) bis zum Palast des Landvogts, ein strenger, schwerer Bau, der weder einen Säulenvorbau hat noch Nischen für Statuen. Er ist einfach eine Masse von Gestein, in vollkommenen Proportionen, gerade und einfach die Linienführung, vielleicht wuchtig, aber von jener Würde, die ich einst an den Legionen des Julius Caesar bewundert habe, als diese von Damaskus nach Ägypten marschierten. Das waren nicht gewöhnliche Soldaten, das war ein geschlossener Block, eine Einheit ganz eigener Art und Zielsetzung weit hinaus über die Leiber der Männer, aus denen die Legionen bestanden. Seit jenem Tage -ich war damals Anfang zwanzig - habe ich versucht, meinen Bauten den gleichen Sinn von Gewicht und Würde zu geben. In Jericho gelang mir dies nicht. Der König durchkreuzte alle meine Pläne, und ich mußte Zugeständnisse machen, deren üble Wirkung nicht verborgen bleiben konnte. Als ich mich jedoch entschloß, diesen mächtigen Bau hier in Makor zu errichten, fiel mir der König nicht in den Arm. Er sagte mir einfach: »Bau etwas, das uns an unsere erste Zeit unseres gemeinsamen Kampfes in Makor erinnert.« Ich bin fest überzeugt, daß der König dieses machtvolle Gebäude nach sich selbst benannt sehen wollte. Als es jedoch fertig war, hatte er Sorgen wegen seiner Beziehungen zu Rom - da er kein Jude war, hing seine Königsherrschaft über die Juden ganz und gar vom Wohlwollen Roms ab -, und so lud er ein ganzes Schiff voller Würdenträger aus der Hauptstadt am Tiber nach Makor ein und gab ein drei Tage dauerndes Fest. Bei dieser Gelegenheit verkündete er den Namen meines neuesten Baues. Jetzt, da die Sonne aufgeht, sehe ich mein breit hingelagertes, geduckt in geballter Kraft geradezu furchterregendes Werk auf mich zukommen wie die Legionen des Julius Caesar hinter ihren Lederschilden. Aber es trägt nicht Caesars Namen und nicht den des Königs. Es heißt so, wie unser König es liebedienerisch an jenem Tag nannte - die Augusteana -, und lange Zeit haben wir darin zu Caesar Augustus als unserem Gott gebetet. Meine Frau Schulamit hat sich jedoch geweigert, es zu tun, wie auch andere Juden es abgelehnt haben, ohne daß
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