Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
erschweren. Nach dem Blasen war das Glas einfarbig klar; infolge des langen Lagerns schillert es jetzt in allen Regenbogenfarben. Im Frühling des Jahres 4 v. Chr. in die Schuttablagerungen von Makor geraten.
    Schicht IX
    König der Juden

    Immer schon habe ich Makor für eine der hübschesten Kleinstädte unseres Königreiches Judaea gehalten, und ich sage dies wahrlich nicht als Provinzler. Denn ich habe in allen großen Städten des Ostens gearbeitet. Ich hatte das Glück, mit der Neugestaltung von Jericho betraut zu sein. Drei Jahre verbrachte ich in Antiochia damit, die berühmte Straße wiederherzustellen, die einst Antiochos Epiphanes angelegt hat. Ich habe sie mit Marmor pflastern lassen und mit Arkaden überdacht, deren Säulenreihen sich so weit erstreckten, daß das Auge ihnen nicht bis ans Ende folgen konnte. Meine schönste Zeit kam, als ich Caesarea, diese wunderbare Stadt, erbaute. Auch am Neubau des großen Tempels der Juden in Jerusalem war ich verantwortlich beteiligt. Offen gesagt, hat mir dieser Auftrag nie sonderlich Vergnügen gemacht, denn ich bin so wenig Jude wie der König selbst, und ich nenne diesen Tempel nur, um darzulegen, daß ich an einigen recht bedeutenden Vorhaben mitgearbeitet habe.
    Wenn ich also sage, daß meiner Ansicht nach unsere kleine Grenzstadt Makor das Beste an römischer Architektur mit einer außerordentlich schönen Lage zwischen Gebirge und Meer vereint, so vergleiche ich das Städtchen mit dem Besten in Jericho und Antiochia. Ich bin sogar kühn genug, es in einem Atemzug mit Caesarea zu nennen, und das will viel heißen. Als ich mich vor wenigen Augenblicken im kühlen Dunkel der Morgendämmerung erhob zu meinem vermutlich letzten Tag auf Erden, blickte ich hinaus auf die Schönheit, die hier in Makor zu schaffen ich mitgewirkt habe. Ich bin gewiß nicht sentimental, aber unwillkürlich rief ich aus: »Wenn ich dieses Makor nur so erhalten könnte, wie es jetzt dasteht! Dann hätten wir ein Zeugnis des Schönsten, was Rom je vollbracht hat.« Von meinem Gefängnis im Tempel der Venus kann ich im frühen Licht die weißen Fassaden sehen, die aus diesem
    Forum etwas in seiner Art Vollkommenes haben werden lassen. Zu meiner Rechten steht ein kleiner griechischer Tempel; er ist, wie man mir sagte, einst zu Ehren des Antiochos errichtet worden, der für diese Gegend viel Gutes getan hat. Mit seinen sechs ebenmäßig schönen dorischen Säulen ist der Tempel nicht besonders groß, erinnert aber daran, wie viel wir den Griechen verdanken. Bei der römischen Stadtplanung für Makor habe ich diesen vorbildlichen Bau als Mittelpunkt erhalten; jetzt allerdings ist er ein Tempel unseres höchsten Gottes Jupiter. Die alteingesessenen Bürger der Stadt behaupten, er stehe auf einer Stelle, die seit dreitausend Jahren heilig ist. Ich will das gern glauben, denn so klein der Tempel ist, es wohnt ihm doch eine Schönheit inne, die nicht allein aus Hirn und Hand eines Baumeisters stammen kann. Gegenüber diesem griechischen Bau, an dem ich nicht das Geringste verändert habe, befand sich, breit hingelagert, der Palast des Statthalters. Ich habe ihn völlig neu aufgebaut, mit einer Fassade, in deren sechzehn Nischen der König die Statuen berühmter Römer aufstellen ließ. Die Juden von Makor allerdings rebellierten, denn bildliche Darstellungen von Menschen beleidigen, wie sie sagen, ihren Glauben; auch meine Frau Schulamit - sie ist Jüdin - weinte. Der König kam daraufhin nach Makor. Entgegen meinem Rat und den flehentlichen Bitten meiner Frau bestellte er sämtliche Ältesten der Juden in das alte Gymnasion. Als er sie in der Falle hatte, ließ er eiskalten Herzens seine Söldner mit der blanken Waffe auf sie los. Die Juden wurden niedergemacht. Der Boden des Gymnasions war rot und schlüpfrig.
    Ich legte beim König Verwahrung ein: »Ein solches Hinschlachten wäre nicht notwendig gewesen.« Er aber antwortete: »Ich habe gelernt, wie man die Juden im Zaum hält. Du nicht!« Er hatte recht, denn nach diesem ersten
    Blutbad hielten unsere Juden in Makor Ruhe, auch dann, wenn die im übrigen Königreich es nicht taten.
    Als ich mit dem Wiederaufbau des alten Palastes aus der Seleukidenzeit fertig war, konnte es ihm niemand mehr ansehen, daß er einmal ein hellenistischer Bau gewesen war. Hier führten die vom König ernannten Landvögte ein gutes Regiment. In gewissem Sinne war es falsch, von Makor als von einer jüdischen Stadt zu sprechen, denn das Königreich Judaea dehnte

Weitere Kostenlose Bücher