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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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daß die Schmach der Hinrichtung sie nicht treffen könne.
    Meine Leute bieten sich an, beim König zu vermitteln; ihre Leute sprechen Gebete, und es ist fast so, als müßten Schulamit und ich eher den Lebenden Mut zusprechen, als daß ihre Tränen uns trösten.
    Aber ich will nicht den Eindruck erwecken, wir seien Stoiker. Gestern überraschte ich meine Frau, wie sie ihr müdes Gesicht mit süß duftendem Öl einrieb, das sie in einem Fläschchen aufbewahrt. Vor ihr stand ein Brett mit solchen Flaschen, die Herodes ihr vor Jahren geschenkt hat, als wir bei ihm in Caesarea waren. Während sie die erste kleine Phiole der Schönheit aufhob und dann die andere, als wollten wir zu einem Gastmahl gehen, war sie so hinreißend, daß ich schluchzte.
    Da stellte sie das Brett beiseite und nahm meine Hand. »Wir dürfen nicht klagen, daß wir Herodes gedient haben«, flüsterte sie. »Du machst mir keine Vorwürfe, weil ich unser Leben an seines gekettet habe?«
    »Aber nein! Von diesen letzten Jahren des Wahnsinns abgesehen, hat er doch viel mehr Gutes als Schlechtes getan. Er führte ein hartes Regiment, aber er hat uns Frieden gebracht.«
    »Warum sucht ihr Juden euch immer Könige wie Herodes?« fragte ich. »Wir? Rom hat uns Herodes gegeben. Wir sind nicht gefragt worden.«
    »Ich meine, wenn euer Volk sich um das alte Königsgeschlecht der Makkabäer geschart hätte, wäre Herodes nicht an die Macht gekommen.« Sie dachte nach. Langsam kamen ihre Worte: »Uns Juden fällt es immer schwer, die eigenen Leute zu unterstützen. Anscheinend lassen wir uns lieber von anderen beherrschen.« Dann setzte sie hinzu: »Das ist etwas, das du nicht verstehen wirst. Aber wir können an keinerlei Königreich glauben, weder an ein von uns errichtetes Reich noch an das Imperium Roms. Wir glauben, daß das einzig wahre Königreich von Gott ist und erst dann kommen wird, wenn der Messias erscheint; selbst wenn Herodes Jude gewesen wäre, hätten wir ihn nicht anerkannt. Es wird niemals wieder einen Staat der Juden in Israel geben, denn wir sind dazu bestimmt, unter dem Joch anderer zu leben und nicht vor Fürsten unser Zeugnis abzulegen, sondern vor Gott.«
    Ich mochte ihr in diesen mir fremden Gedanken nicht folgen, und so brachte ich unser Gespräch auf glücklichere Tage. »Ich bin wieder neunzehn, und du bist ein kleines Mädchen, das neben der Synagoge von Makor wohnt. In den Hafen von Ptolemais segelt ein kleines Schiff ein, auf ihm befindet sich ein junger Mann mit Namen Herodes, der aussteigt und sagt: >Ich bin gekommen, Galilaea zu befrieden.< Würdest du, wenn wir alle die Jahre danach noch einmal zu durchleben hätten, mir raten, ihn zu unterstützen? Ihn bei Octavian in Schutz zu nehmen?«
    Wieder schwieg sie eine Weile, um meine Frage zu überdenken, denn Schulamit hat die Eigenschaft der Juden, das Leben völlig ehrlich zu betrachten. Dann sagte sie ruhig: »Wäre es nicht feige, uns jetzt von unserer Vergangenheit abzuwenden?« Sie nahm meine Hände. »Wir sind Herodes gefolgt, und ich vermute, wir würden es wieder tun. Aber, Timon, wir hätten etwas mehr an Den König denken sollen, Der größer ist, und Ihm mit mehr Hingabe dienen.« Bevor ich antworten konnte, lachte sie leise und fragte: »Was waren denn die besten Jahre, die wir zusammen verbracht haben? Als du die schöne Arkadenstraße in Antiochia gebaut hast?«
    »Nein. Caesarea stellt alles in den Schatten. Solange die Erde steht, wird diese Stadt die Hauptstadt Asiens sein, und sie erbauen zu helfen, das war keine geringe Leistung.« Wir saßen in unserem Gefängnis und dachten zurück an die majestätischen Säulenreihen, an die Paläste und das Theater, das sich wie ein Edelstein an die Seite des blauen Meeres schmiegte. Es ist ein Meisterstück, das Herodes und ich da gebaut haben, und es wird bleiben, solange die Menschen Werke der Schönheit lieben.
    Gestern lächelte Schulamit, als ich so von Caesarea sprach, und als ich sie nach dem Grund fragte, sagte sie: »Du bist so eigensinnig römisch. Ich hätte gedacht, auf die Dauer würde dich die Arbeit am Tempel von Jerusalem am meisten beglücken. Denn sogar wir Juden mußten zugeben, daß Herodes da ein Wunder vollbracht hat.«
    Ich hatte nie zu meiner Frau darüber gesprochen, aber der Tod ist uns ganz nahe, und deshalb gibt es keinen Grund, nicht unsere wahre Meinung auszusprechen. Und so sagte ich: »Den Tempel habe ich in meinem Gedächtnis ausgelöscht. Für mich zählt er nicht.«
    »Warum?« fragte

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