Die Quelle
Grund. Das Gesetz der Weisen verbietet, daß ein Mann am Sabbat einen Nagel von einem Galgen in seiner Tasche trägt. Warum? Er trägt ihn nur, weil er Glück bringt, und das ist verboten.
ZWEITER RABBI: Unsinn. Der Mann, von dem wir sprechen, tut es doch nicht, damit er Glück hat.
erster RABBI : Hört auf die Weisen. Eine Frau soll am Sabbat ihr Haus nicht verlassen, wenn sie geflochtene Bänder trägt. Warum nicht? Sie lassen ihr Haar anziehender erscheinen, und das ist verboten. Darüber aber sprechen wir.
VIERTER RABBI: Auch darf sie nicht auf die Straße gehen, wenn sie ein Haarnetz trägt. Gewiß aus dem gleichen Grunde.
ZWEITER RABBI: Bedenkt jedoch: Eine Frau darf am Sabbat fortgehen und ein Pfefferkorn lutschen, um ihren Atem frisch zu halten.
ERSTER RABBI: Nur wenn sie es in den Mund genommen hat vor Sabbatbeginn.
DRITTER RABBI: Auch haben die Weisen stets daran festgehalten, daß sie das Pfefferkorn, falls es ihr während des Sabbat aus dem Mund fällt, nicht vor Sabbatausgang wieder in den Mund nehmen darf.
ZWEITER RABBI: Alles zugegeben. Aber unser Mann läßt ihn nicht aus dem Mund fallen. Und er hat ihn am Vorabend vor Einbruch der Nacht hineingetan.
ERSTER RABBI: Bezüglich dieser Erfordernis sind wir einig. Er muß ihn im Munde haben, ehe der Sabbat beginnt.
DRITTER RABBI: Die eigentliche Frage: Hat er überhaupt das Recht, ihn am Sabbat dort zu haben? Nein, denn es wäre ein Akt der Eitelkeit. Gleich dem Tun einer Frau, die einen goldenen Schmuck trägt. Was offensichtlich verboten ist.
zweiter RABBI : Zugegeben. Falls er nur als Schmuck dient, darf ihn der Mann am Sabbat nicht im Munde haben.
VIERTER RABBI: Und ich bleibe dabei, daß er lediglich Schmuck ist.
ZWEITER RABBI: Halt! Er trägt seinen falschen Zahn, damit er besser beißen kann.
VIERTER RABBI: Aber er könnte genau so leicht essen, wenn er ihn nicht hätte. Ein falscher Zahn für einen Mann ist nicht mehr und nicht weniger als ein goldener Kopfputz für eine Frau.
ZWEITER RABBI: Das kann nicht sein. Der Kopfputz ist ein Schmuck. Der Zahn ist eine Notwendigkeit.
dritter RABBI : Falsch. Der Goldzahn eines Mannes ist genau so ein Schmuck wie ein goldener.
ZWEITER RABBI: Wer spricht von einem Goldzahn? Ich habe gesagt: ein Zahn - ein falscher Zahn, der im Mund angebracht wird zum Zwecke besseren Kauens.
DRITTER RABBI: Gibt es einen Unterschied zwischen einem falschen Zahn und einem goldenen falschen Zahn?
ERSTER RABBI: Allerdings! Der goldene Zahn wird nur zum Schmuck getragen.
ZWEITER RABBI: Stimmt nicht! Ein Mann kauft sich einen Goldzahn, weil er besser paßt als ein Zahn aus Stein und länger hält als ein Zahn aus Holz. Er handelt aus Klugheit, nicht aus Eitelkeit.
VIERTER RABBI: Irrtum! Irrtum!
DRITTER RABBI: Ist nicht ein im Mund angebrachter falscher Zahn das gleiche wie eine Locke, wie sie eine Frau an der Stirn befestigt? Und sagen die Weisen nicht, daß eine Frau solche Locken nicht tragen darf, es sei denn, sie sind dauernd festgenäht?
vierter RABBI : Wieso dauernd?
DRITTER RABBI: Damit sie die Locken nicht versehentlich am Sabbat ansteckt.
ERSTER RABBI: Es kann ihr zugetraut werden, daß sie nicht nähen wird. Denn das Nähen erfordert dreierlei: Nadel, Faden und Nähen. Sie weiß, daß all dies verboten ist. Eine Locke ans Haar stecken aber ist keine übliche Handlung, und das könnte sie vergessen. Daher ist es verboten.
DRITTER RABBI: Und ein falscher Zahn wird nicht auf die Dauer im Mund angebracht, sondern muß jeden Tag hineingetan werden, und deshalb ist es mit ihm genau wie mit den falschen Locken des Weibes, die nicht getragen werden dürfen.
Während der ersten vier Tage, die Rabbi Ascher unter den gelehrten Männern von Twerija zubrachte, ließ man ihn - klein und bescheiden, wie er war, und nur versuchsweise anwesend, um zuzuhören, wie die Alten eifrig über den falschen Zahn disputierten - an der Wand stehen. Ascher erfuhr, daß sie sich seit zwei Monaten nur mit diesem Thema beschäftigten, es unter allen nur denkbaren Gesichtspunkten betrachteten in der Hoffnung, so einen allgemein gültigen Grundsatz zu finden, der den Gebrauch von sowohl nützlichen als auch schmückenden Gegenständen am Sabbat regelte. Im Lauf der Erörterung glaubte Rabbi Ascher mehrmals, daß auch er diesen oder jenen Gedanken beizutragen hätte, aber die Disputierenden beachteten ihn überhaupt nicht, und seine Bescheidenheit hinderte ihn daran, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Am Abend des vierten Tages
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