Die Quelle
steinerne Tafeln geschriebene und dann Wort für Wort in die Thora übertragene Gesetz und zum zweiten eines von gleicher Wichtigkeit, das dem Mose nur zugeflüstert worden war -eben die Mischna, die mündliche Lehre, die ins einzelne gehenden Ausführungsbestimmungen zur Thora. Ein Beispiel: Im Zweiten Buch Mose steht geschrieben: »Gedenke des Sabbats, daß du ihn heiligest.« Mit diesen Worten war jedoch nicht festgelegt, was man zu tun hatte, um das Gebot zu befolgen. So wurde es zur Aufgabe der Rabbinen, das Gebot entsprechend der mündlichen Gesetzeslehre, wie der HErr sie dem Mose erteilt hatte, eindeutig zu erläutern.
Wer kannte diese mündliche Gesetzeslehre? Allein die Rabbinen. Und wie waren sie zur Kenntnis des mündlichen Gesetzes gelangt? Indem es in ungebrochener Überlieferung von Mann zu Mann weitergegeben worden war: »Mose empfing die Lehre vom HErrn Selbst am Sinai und gab sie an Josua weiter, und Josua an die Ältesten, und diese an die Propheten, und sie den Männern der Großen Versammlung, und diese dem Antigonus von Soko... Hillel und Schammai übernahmen sie von ihnen, und danach. Jochanan ben Sakkai. Rab Naaman von Makor. der große Akiba. Rabbi Mei'r.«, und in künftigen Tagen wurde hinzugefügt: »Von ihm übernahm sie Rabbi Ascher ha-Garsi«, und so ging die Reihe weiter - über den bedeutenden Salomo ben Isaak aus Frankreich, genannt Raschi, im 11. Jahrhundert, und über den größten von allen, Mose ben Maimon, genannt Maimonides, im Jahrhundert darauf, bis zum Gaon Elia von Wilna, der im 18. Jahrhundert in Litauen lehrte, und weiter bis zum letzten Rabbiner noch der kleinsten Gemeinde. Sie alle waren die Hüter des mündlichen Gesetzes. Während der ersten anderthalb Jahrtausende war das mündliche Gesetz nur im Gedächtnis der Ältesten, der Weisen, der Schriftgelehrten bewahrt worden. Nachdem aber die Römer das Land der Kinder Israel zweimal vernichtend heimgesucht hatten - unter Vespasian zuerst und dann unter Hadrian, der sogar den Namen Jerusalem tilgte und Judaea in Palaestina umbenannte -, war eine Gruppe von Gelehrten in einem kleinen Dorf unweit von Makor zusammengetreten, um dies ererbte mündliche Gesetz schriftlich festzulegen. Damit hatten sie das geschaffen, was als Mischna bezeichnet wurde, jenen Kanon, den Männer wie Rabbi Ascher auswendig gelernt haben mußten. Beispielsweise gibt die Mischna in Erweiterung des klaren Thora-Gebots, daß am Sabbat nicht gearbeitet werden darf, »vierzig weniger eine Hauptverrichtungen« an, die am Sabbat verboten sind: »Säen, pflügen, mähen. backen. spinnen, einen Knoten knüpfen, einen Knoten lösen. zwei Stiche nähen. ein Wild erlegen. zwei Buchstaben schreiben. Feuer anzünden. etwas aus einem Bezirk in einen anderen hinüber tragen.«
Man setzt sich kurz vor der Zeit des Sabbatgebets nicht beim Barbier hin. Ein Schneider soll am Vorabend des Sabbat, kurz vor dem Dunkelwerden, nicht zur Nadel greifen; denn er könnte sie vergessen und mit der Nadel ausgehen. Auch sollte der Schreiber um diese Zeit nicht zur Feder greifen. Niemand soll dann mit dem Reinigen seiner Kleider beginnen, und niemand beim Licht der Lampe lesen, denn er könnte sie umstoßen. Der Schulmeister darf das Lesen der Kinder überwachen, er selbst aber darf nicht lesen. Ein Mann, der in Hitze ist, soll nicht mit einer Frau essen, die in Hitze ist, denn es könnte beide zur Sünde verführen...
Man soll kein Brot am Vorabend des Sabbat vor Einfall der Dunkelheit in den Ofen tun, noch dürfen die Kuchen auf die Kohle gesetzt werden, es sei denn, die Kruste hat Zeit, sich
vor Anbruch des Sabbat zu bilden. Rabbi Elieser sagt: Zeitig genug, damit sich die Kruste am Boden bilden kann ...
Was darf man zur Beleuchtung am Sabbat brauchen, und was nicht? Man darf keine Zederspäne, keinen Werg, keine Seide, keinen Bastdocht, kein Seegras, kein Pech, kein Wachs, kein Biberfett, kein gebranntes Fett, kein Schwanzfett, keinen Talg nehmen. Nachum der Wieder sagt: Ausgelassenen Talg darf man nehmen, aber die Weisen sagen: Sei er ausgelassen oder nicht, man darf ihn nicht zur Beleuchtung gebrauchen.
Die Weisen gestatten dagegen alle Öle: Sesamöl, Nußöl, Rettichöl, Gurkenöl, Teer und Erdöl. Rabbi Tarfon aber sagt: zur Beleuchtung nur Olivenöl.
So legt die Mischna für jedes Tun und Lassen die Gesetzesvorschriften fest, durch welche die Juden ihrem Glauben verpflichtet sind.
Was ist die Gemara? Schon bald nach der schriftlichen Fixierung der Mischna stellte
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