Die Quelle
ihnen gestellt war. Die vierzig
Pferde blieben ungesattelt, denn sie sollten erst beim endgültigen Angriff auf Makor von vierzig ausgewählten Männern geritten werden; während des Anmarschs brauchten sie sich nicht anzustrengen. Im Morgenlicht, das sich über Tabarija ausbreitete und die Hügel erkennen ließ, wurden nun die Krieger auf ihren Kamelen sichtbar. Abgehärtete Kämpfer waren sie, selbst den besten Söldnern des Reiches von Byzanz gewachsen. Manche hatten kurze Bärte, die meisten waren allerdings glattrasiert wie ihr Anführer. Sie trugen Gewänder in allen Farben und Größen; die Männer in bräunlicher Kleidung sahen aus, als seien sie mit ihren Kamelen zusammengewachsen, während die Gewänder aus verschieden langen violetten, roten, gelben, braunen, grünen und blauen Stoffstreifen ihre Träger wie bunte Vögel erscheinen ließen, die aus der Wüste in die Täler Palästinas geflogen waren. Diese Hundertschaft war in acht Jahren noch nicht ein einziges Mal besiegt worden, und auch heute waren Abd Omars Männer entschlossen, den Sieg zu erkämpfen für die Ausbreitung ihres Glaubens. Lässig saßen sie auf ihren Kamelen, während sie geduldig auf den Befehl ihres Hauptmanns warteten; mit der gleichen Geduld standen die Pferde neben den Berittenen.
Aber Abd Omar war noch nicht zum Aufbruch bereit. Er ging mit dem beherrschten Schritt des Kriegers von der Karawanserei zu einer kleinen Hütte am Seeufer. Eine Öllampe beleuchtete das armselige Innere: rohe Lehmwände, keine Möbel, ein paar angeschlagene Schalen und einige Tontöpfe. Das war das Hauptquartier, das sich der Heerführer der Arabertruppen nach der Einnahme von Tabarija ausgesucht hatte. Jetzt lag er fest schlafend auf dem Boden, ein kräftiger Mann in den Fünfzig; die Enden seines Bartes schleiften im Staub, die rechte Wange lag in seiner rechten Hand - eine Stellung, in der auch Mohammed zu schlafen pflegte.
»Feldherr«, flüsterte Abd Omar; doch der Schlafende rührte sich nicht. Der ehemalige Sklave blieb bei seinem Vorgesetzten knien. Er wußte nicht recht, was er tun sollte. Wie Abd Omar hatte auch der Heerführer den Heiligen Krieg nicht deshalb gegen das Byzantinische Reich vorgetragen, um sich Reichtum und ein bequemes Leben zu gewinnen; eine Hütte mit Lehmboden genügte ihm, denn er wollte nur eines: das geistige Reich des Propheten vergrößern. »Feldherr, wir rücken ab«, flüsterte Abd Omar, der noch immer zögerte, den Schlafenden anzustoßen. In sieben großen Schlachten hatte der Feldherr seine Truppen zu aufsehenerregenden Siegen geführt. Jetzt dachte er gar nicht daran aufzustehen, nur weil zwei seiner Hundertschaften zum Kampf aufbrachen. Er hatte klare Befehle gegeben, und er vertraute dem wilden, hemmungslosen Abu Said und dem klugen, beherrschten Abd Omar. Er hatte ihnen nichts mehr zu sagen und mußte jetzt schlafen. Denn wenn Abd Omar Makor einnahm, gab es nur eines: Sofort mußte das gesamte Heer nach Westen nachstoßen und Akka überrennen oder belagern. Die nächsten Tage konnten also sehr anstrengend sein. Endlich rüttelte Abd Omar den Feldherrn wach. »Morgen könnt Ihr nach Akka reiten«, sagte er. »Heute abend wird Euch Makor gehören.« Der Aufgeweckte stützte sich widerwillig auf den Ellbogen. Eigentlich wollte er den ehemaligen Sklaven zurechtweisen. Aber an Abd Omars ernstem, dunklem Gesicht erkannte er, daß der Hauptmann noch einmal mit ihm sprechen wollte. »Du hast deine Befehle«, knurrte er. »Kein Blutvergießen.«
»Ich werde gehorchen«, sagte Abd Omar und erhob sich, um zu gehen. Aber der Feldherr packte ihn am Ärmel. »Wolltest du mit mir über die Schlacht sprechen?«
»Ja«, erwiderte der Hauptmann.
»Ich kann nur wiederholen, was der Prophet zu mir gesagt hat, als wir uns zum erstenmal Mekka näherten. >Sei gnädig.
wenn du kannst. Schone die Alten, die Frauen, die Kinder. wenn du kannst. Gib jedem Mann ehrlich die Möglichkeit, sich dir anzuschließen, und wenn er sich unterwirft, nimm ihn, wie er ist. Aber auch wenn der Feind sich widersetzt, töte kein Schaf, kein Kamel, kein Rind - es sei denn, du mußt essen. Und erlaube keinem, eine Palme oder einen Ölbaum auch nur zu verletzen.««
»Ich kenne meine Befehle«, sagte Abd Omar.
Der Feldherr ließ sich auf den Boden fallen und schlief sofort wieder ein. So hatte Abd Omar, der Knecht Mohammeds, nochmals seinen Befehl entgegengenommen: Mitleid und Versöhnung als Waffen für das Reich des Propheten zu benutzen.
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