Die Quelle
Straßen und suchten sich einen Pfad, auf dem sie rasch aufwärts gelangen konnten, um dann die Berge und Sümpfe zu durchqueren, die sie von Makor trennten. Ein harter Ritt in einem unwegsamen Gelände stand ihnen bevor. Schließlich aber würden sie auf die Straße von Damaskus nach Akka stoßen; auf ihr sollte dann der Überraschungsangriff angesetzt werden - nicht mit Kamelen, sondern mit den Pferden. Der erste Teil des Weges, der Aufstieg zu den steilen Bergen westlich von Tabarija, war der schwierigste. Abd Omar ritt voran, seine Männer immer wieder anspornend, bis sie die
Spitze des sonderbar wie ein Kamelsattel geformten Berges erreicht hatten, der »Hörner von Hattin« hieß. Hier ließ er halten und die Pferde untersuchen. Und hier gab er seine letzten Befehle.
»Keiner wird getötet! Nirgendwo wird Feuer gelegt! Und keine Palme, kein Ölbaum wird angerührt!« Er wartete, damit jeder seiner Männer Zeit hatte, sich die Befehle einzuprägen; dann ritt er zu jedem seiner Unterführer und ermahnte sie einzeln und eindringlich: »Heute abend muß Makor die Lehre des Propheten angenommen haben, und die Menschen dort müssen unsere Freunde sein!« Grimmig dreinblickend nickten die Männer. In Richtung Westen ging es weiter. Während Abd Omar so in das Herz Palästinas vorstieß, dachte er daran, wie er zum erstenmal von dem reichen Land gehört hatte: Es war damals gewesen, als er schon einige Jahre lang Karawanen von Jathrib nach Damaskus und zurück führte; jedesmal hatte er sechs Wochen im Sattel gesessen. Die Tatsache, daß irgendwo im Westen ein kleines Land lag, von Griechen und Römern besetzt, war ihm undeutlich bewußt gewesen, hatte ihn aber nicht sonderlich beeindruckt, bis er auf einer Reise (noch in der Zeit vor Mohammed) mit einer Ladung Gold, das aus Byzanz stammte, nach Arabien zurückkehrte. Dabei überholte er die Karawane eines Händlers aus Mekka, der heim wollte und sich ihm für einige Tage anschloß. Schließlich hatte der Mann aus Mekka gesagt: »Ich muß jetzt nach Westen, nach Jerusalem.« Das war das erste Mal gewesen, daß Abd Omar etwas von dieser Stadt hörte.
»Die Christen kämpfen da«, sagte der Mann aus Mekka. »Die Christen gegen wen?« fragte Abd Omar.
»Gegen sich selbst«, hatte der andere erwidert, verständnislos den Kopf geschüttelt und dann seine Kamele den Bergen zu gelenkt, die den Jordan schützend umgaben.
Jetzt war Abd Omar also selbst in Palästina. Und er hatte die erstaunliche Tatsache bestätigt gefunden, die ihm vor vielen Jahren von dem Mann aus Mekka erzählt worden war: Als die Araber nach der Eroberung von Damaskus in Richtung Tabarija vordrangen, waren sie nur auf geringen bewaffneten Widerstand gestoßen; wohl aber hatten sich die Geistlichen dreier verschiedener christlicher Kirchen bei ihnen eingefunden, um einander zu beschuldigen. Und darüber war es zu Streit und Blutvergießen gekommen. Späher hatten dann in der Karawanserei von Tabarija über ähnliche Verhältnisse in Safat und Makor berichtet; in Akka, so hieß es, seien außerdem erbitterte Auseinandersetzungen darüber im Gange, welche Kirche das Recht habe, den Pilgern aus Rom und aus dem übrigen Westen, die zum Galilaeischen Meer wollten, Geld abzunehmen. Und in Damaskus waren die Zänkereien zwischen den christlichen Kirchen nicht minder beschämend gewesen. Angesichts dieses Durcheinanders bei den Christen und angesichts der Tatsache, daß die arabischen Führer wünschten, den christlichen Pilgern solle der Zugang zu den heiligen Stätten auch weiterhin offenstehen - denn sie brachten viel Geld ins Land -, hatte Abd Omar begonnen, sich näher mit den Christen und ihren Bräuchen zu befassen, wozu ihm alles willkommen war, was er von den Spähern und von den Geistlichen der eroberten Städte Damaskus und Tabarija erfahren konnte.
Dabei dachte er immer wieder an das, was Mohammed ihm einmal gesagt hatte: »Es gibt nur drei wirkliche Religionen -die jüdische, die christliche und unsere -, und zwar deshalb, weil jede sich auf ein Buch stützt, das Gott Selbst offenbart hat.« Die Juden - das waren die Worte des Propheten gewesen
- hätten ihr Altes Buch von Mose erhalten, die Christen ihr Neues durch Jesus; die Araber aber hätten den Koran, der das Beste aus den beiden älteren Büchern enthalte; deshalb seien diese nicht mehr wesentlich. An einem anderen denkwürdigen Tag hatte Mohammed gesagt: »Ihr sollt den Überlieferungen der Juden und Christen Schritt für Schritt
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