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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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würde sie den Mörder ihres Mannes heiraten - eher mochte das Gitter, das die Thora umgab, über ihr zusammenbrechen, als daß sie nachgab!
    Sie schwieg noch immer. Und wie Aaron nach der Vergewaltigung ihr Stillschweigen völlig falsch als Einwilligung verstanden hatte, so beging nun der Rabbi denselben Fehler.
    »Hier steht es geschrieben«, sagte er ermunternd und entrollte die Thora. »>Wenn Brüder beieinander wohnen und einer stirbt ohne Kinder, so soll des Verstorbenen Weib nicht einen fremden Mann draußen nehmen; sondern ihr Schwager soll sich zu ihr tun und sie zum Weibe nehmen und sie ehelichen. Und den ersten Sohn, den sie gebiert, soll er bestätigen nach dem Namen seines verstorbenen Bruders, daß sein Name nicht vertilgt werde aus Israel.c Es ist nicht mein Befehl, Schimirit, sondern der Wille des Allmächtigen.«

Sie schwieg noch immer. Eine seelisch starke Jüdin, besonnen, weitaus klüger als die meisten und fähig, vieles zu tun, was sie noch nicht getan hatte, fand sie die Kraft in ihrem Entschluß, den sie nur sich selbst eingestand. Kein Wort sagte sie.
    Trotzig die Hände in unterdrücktem Zorn an die Seiten gepreßt, bis ihre Fingerspitzen weiß wurden, starrte sie den Rabbi an, bis der engstirnige Gesetzeslehrer das Zimmer verließ. An der Tür murmelte er noch: »Wir sollten uns alle demütig dem Gesetz des HErrn unterwerfen. Ich bereite die Hochzeit vor.« Dann war er fort. Der Mörder ihres Mannes aber hatte auf der anderen Seite der Wand das Ohr fest an die Wand gepreßt, um jedes Wort zu hören, das der Rabbi sagte. Immer noch prasselte der kalte Regen auf das Dach. Schimirit flüsterte: »Ich werde das Gesetz nicht befolgen. Denn wenn das Gesetz sagt, daß ich den Mörder meines Mannes heiraten muß.« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, denn sie wußte, daß sie Aaron niemals des Mordes überführen konnte, und sie sah voraus, daß der Rabbi sie schließlich doch dazu zwingen konnte, den verhaßten Schwager zu heiraten. Was blieb ihr, als jüdischer Witwe, die keine Eltern mehr hatte, denn auch anderes übrig? Dem Gesetz nach gehörte sie schon jetzt ihrem Schwager, und der Rabbi konnte ihr befehlen, obwohl Aaron bereits eine Frau hatte. Sogar byzantinische Söldner konnte der Rabbi holen, seine Entscheidung, nun, nachdem sie in aller Form ausgesprochen war, mit Gewalt durchzusetzen. Aber sie war nicht gewillt nachzugeben; und während Aaron noch an der Wand lauschte, schlüpfte sie hinaus und kletterte auf das Dach. Dort stand sie im Regen, blickte nach Ptolemais und überlegte sich, wie sie entkommen konnte.
    In diesem Augenblick hatte Abd Omar, der Knecht Mohammeds, mit seinen Kriegern, seinen Kamelen und Pferden den düsteren Wald hinter sich gebracht. Jetzt galt es, den Sumpf zu bewältigen. Es regnete heftig. Wo der Wald aufhörte, führte ein Pfad am nördlichen Rand des Moores entlang. Da die Zweige der Bäume sehr tief herabhingen, ließ Abd Omar seine Reiter absteigen und ihre Tiere führen. Angesichts dieser den Arabern fremden Welt fragte er sich, ob dieses Unternehmen überhaupt einen Sinn hatte.
    Während all ihrer Kriege in der Wüste hatten sie ihre Kamele und Pferde über die unermeßlich weiten Sandflächen dahinjagen lassen können. Und dort hatte der Prophet sie geführt. Selbst die Einnahme von Damaskus hatte noch Sinn gehabt, denn die Araber konnten bis kurz vor der Stadt auf ihren Kamelen über den gewohnten Sand reiten. Und bei der Wegnahme von Tiberias war es nicht viel anders gewesen: ein ungehinderter Reitersturm über die Ebenen östlich des Jordan, dann ein schneller Einfall in das besiedelte Land und die Eroberung der Stadt. Aber der Angriff auf Makor bedeutete eine neue Art der Kriegführung: Erst der wenig erfreuliche Ritt durch die Wälder, jetzt dieser fürchterliche Fußmarsch im Regen um den Sumpf herum - und dann kam schließlich noch der Galopp zu Pferde auf der Straße. Das war keine Kampfesweise nach dem Herzen eines Arabers. Abd Omar wünschte, es wäre alles schon vorbei und er könnte wieder über die weite, leere Wüste reiten. Er schreckte aus seinen düsteren Gedanken auf. Die Pferde wieherten und bäumten sich angstvoll auf. Er lief den sumpfig nassen Pfad zurück zu den vor Angst zitternden Tieren: Ein Pferd war auf eine große Schlange getreten und hatte sie mit dem Huf zu Tode getrampelt. Abd Omar und seine Krieger beruhigten die Pferde. Bald danach machte sein eigenes Kamel unverhofft einen Satz zur Seite. Abd Omar sah sich

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