Die Quelle
wahrhaft erbarmungswürdigen Situation also mußte sich der alt gewordene Hellenismus der jungen Kraft der Araber entgegenstellen. Das Ergebnis konnte nur eine Demütigung sein - und vielleicht war es richtig so, wenn die Weltgeschichte ihren Sinn behalten sollte.
Als die Späher meldeten, bis zur Stadt könne es nicht mehr weit sein, riß der Winterhimmel auf. Abd Omar ließ sein Kamel niederknien, stieg ab und befahl den vierzig besten seiner Wüstenreiter, ebenfalls abzusitzen. Die ausgeruhten Pferde wurden nach vorn gebracht, Säbel blitzten auf, während man die nicht mehr benötigten Kamele zu einem grasbestandenen Platz neben der Straße führte. Der Hauptmann ordnete sein buntgestreiftes Gewand, befestigte die Bänder seiner Kopfbedeckung und bestieg sein kleines, sandfarbenes Pferd. Noch einmal blickte er Mann für Mann an. Er wußte, daß er ihnen keinen Mut zuzusprechen brauchte. Er gab nur einen Befehl: »Niemand wird getötet.« Dann wandte er sein Pferd um, ließ es einen Kreis schlagen und trabte an. Jetzt stieß er die Faust hoch in die Luft: Galopp! Im Trommeln der Hufe erblickte er an der Biegung, wo er zum erstenmal die Stadt ungeschützt liegen sah, links von der Straße etwas, das ihn ablenkte und ihn noch einmal an die wirren Gedanken dieses kalten, nassen Nachmittags erinnerte: Am Rand des
Olivenhains stand ein einfaches Bauernhaus. (Sein Besitzer bestellte ein kleines Stück Land mit Getreide, das er an den
Grützenmacher in der Stadt verkaufte. Solche Bauernhöfe hatten seit eh und je das unverwüstliche Fundament Palästinas gebildet, zur Zeit der Kanaaniter ebenso wie damals, als das Land den Juden allein gehörte, wie dann unter römischer Herrschaft und wie jetzt unter byzantinischer.) Dem dahinjagenden Araber erschien das kleine Gehöft wie eine Beleidigung. Gleich den meisten Männern der Wüste hatte er nichts als Verachtung für einen Bauern übrig, der sich selbst an ein Stück Land kettete, anstatt frei zu bleiben und dorthin zu ziehen, wo Kampf und Handel lockten. Bauern - das waren die kläglichsten Menschen überhaupt, die Feiglinge, die Rückständigen, die Männer ohne Stolz, die nichts wußten von Schwert und Kamel. Abd Omar lachte geringschätzig auf, als er feststellte, daß dieses Makor, das er einzunehmen hatte, eine Ackerbürgerstadt war. Noch mehr als die Bäume, noch mehr als der Sumpf brachte ihn dieses Bauernhaus aus der Fassung -es machte ihn geradezu krank.
Aber so sehr er auch die Bauern verachtete und das Haus da, er konnte seine Augen nicht abwenden. Und während er der Stadt entgegenritt, die auf einem Hügel vor ihm lag, blickte er immer wieder auf dieses Haus, das ihm zugleich wie eine Bedrohung vorkam. Grimmig schwor er sich: Wenn ich heute Makor nehme, lasse ich jeden Bauernhof im Umkreis eines Tagesmarsches niederbrennen! Und dabei dachte er daran, wie wenig der Koran, in dem so viel von Kaufleuten und Kriegern die Rede war, vom Landbau sagte. Aber während das Haus zu seiner Linken hinter ihm verschwand, schüttelte er seinen Gedanken, alle diese Wohnstätten niederzubrennen, als unwürdig und lächerlich ab - wie ein Abu Said hatte er gedacht! Abd Omar schämte sich. Die Araber waren aus ihrer Wüste gekommen, um Mohammeds Glauben auch den anderen Ländern und Völkern zu verkünden. Die Sitten dieser Völker galt es zu achten, solange sie nicht den Lehren des Propheten widersprachen. Doch auch diese vernünftige Überlegung änderte nichts an Abd Omars Verachtung für den Mann, der in dem elendigen Haus lebte. »Wenn das eine Stadt von Bauern ist«, murmelte er vor sich hin, »lohnt es sich kaum, sie einzunehmen.«
Ein Unterführer galoppierte vorbei und rief: »Abd Omar, ich werde als erster in die Stadt einreiten!« Der ehemalige Sklave begriff: Dieser Wackere wollte ihn vor den ersten Pfeilen schützen. So dankenswert das ehrliche Anerbieten war - Abd Omar empfand es als demütigend. So trieb er sein Pferd noch mehr an, bis er wieder die Spitze hielt. In wilder Jagd ging es nun die gewundene Straße hinauf in die Stadt. Aber es gab keinen ersten Hagel von Pfeilen, nicht ein einziger flog, und in wenigen Augenblicken waren die Araber, ohne auf Widerstand zu stoßen, bis in die Stadtmitte gestürmt, wo sie auf dem Platz vor der Basilika ihre Pferde zum Halten brachten. Überall standen waffenlos, stumm und ergeben die Einwohner von Makor herum. Was war da zu tun?
Die leichte Einnahme war für Abd Omar völlig überraschend gekommen. Er hatte
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