Die Quelle
auf den großen Baal zurückzuführen, der unter dem Altar der Christen in der Erde verborgen war. Denn es konnte wohl kaum Zufall sein, daß die
Priester genau diese Stelle für das Herzstück ihrer Basilika ausgesucht hatten. Baal selbst hatte sie in seiner uralten Weisheit dorthin geleitet. In gewisser Weise hatten die alten Heiden sogar recht. Der Altar der Basilika stand nicht zufällig an der Stelle, wo Baal geherrscht hatte, sondern eher wegen des tiefen Sinns, der in jeder Religion waltet: Die Juden hatten die heilige Stätte und noch manch anderes von den Kanaanitern übernommen und die Christen von den Juden. Und jetzt kam aus der Wüste ein noch jüngerer Glaube, der noch weit mehr von den Juden und den Christen übernommen hatte. Alle aber reichten sie weit zurück zu den Urgründen des Sehnens, die einst ihren Ausdruck in Baal gefunden hatten und noch vor ihm in der allerersten Gottheit, in dem geheimnisvollen, aus sich selbst erstehenden und in sich selbst zurückkehrenden El. Doch ein hartes Urteil war gerade jetzt über die Heiden gefällt worden. Mohammed hatte eine scharfe Trennung gemacht zwischen »den Völkern des Buches«, als die er Juden und Christen ansah, und jenen, die kein Buch besaßen: die Heiden. Juden und Christen behielten stets einen ehrenvollen Platz im Glauben der Araber; den Heiden aber blieb lediglich die Wahl, sich zu bekehren oder ausgerottet zu werden. Daß nur dies und nichts anderes ihnen bevorstand, war in Makor bereits aus allerlei Gerüchten bekannt, und so wußten die Heiden: Die Stunde der Entscheidung hatte geschlagen.
Während der Zeit des Wartens hatten die Einwohner von Makor ihre Entschlüsse gefaßt - unterschiedliche Entschlüsse je nach der Art ihres Glaubens. Die rechtgläubigen Priester der Kirche von Byzanz wollten die Stadt verteidigen. Die anderen Christen jedoch, die so lange unterdrückt gewesen waren, lehnten es ab zu kämpfen - sie freuten sich sogar über die Ankunft der Streiter Mohammeds, denn sie hofften, bei den Arabern mehr Duldung zu finden als bei den Byzantinern. Die Juden harrten mit Bangen einer neuen Vertreibung; wohin sie sich diesmal wenden sollten, wußten sie nicht - vielleicht in die gärend sich formenden neuen Reiche Europas. Aber auch sie waren uneins - ihre Gemeinde aufgespalten in solche, die meinten, man solle die Witwe Schimirit zwingen, ihren Schwager Aaron zu heiraten, und in die anderen, die erklärten, wegen der Vergewaltigung und des mutmaßlichen Mordes müsse eine Ausnahme gemacht werden. Für die untereinander zerstrittenen Juden bedeutete die Ankunft der Araber nur eine weitere Heimsuchung. Sie konnten nur hoffen, sie zu überleben. Für die Heiden aber bedeutete der neue Glaube das Ende mit Schrecken.
In diesem Zustand der Zerrissenheit bereitete sich die kleine Stadt Makor darauf vor, sich den Arabern zu stellen, die so einig waren wie nie ein Eroberervolk zuvor. Es war ein merkwürdiger Zufall der Geschichte, daß die Araber kamen, als sie am stärksten waren, getragen von dem mächtigen Strom der Selbstfindung und Einigung, und als die Menschen von Makor am wenigsten einig waren und deshalb so schwach wie nie zuvor. Sechshundert Jahre lang hatte niemand auch nur daran gedacht, die Stadtmauern wiederaufzubauen oder den Brunnen auszugraben. Warum war solche Zeit der Unfruchtbarkeit über eine Kultur gekommen, die einst Männer wie Tarphon den Gymnasiarchen, Timon Myrmex den Baumeister, Bischof Eusebios und den jungen Juden Menachem ben Jochanan hervorgebracht hatte, den die Kirchengeschichte rühmend als St. Markus von Antiochia bezeichnet? Nur eine einzige Erklärung gibt es: Das Ideal des Griechentums besaß keine Kraft mehr. Nach fast tausend Jahren war seine innere Ordnung verknöchert, seine Kunst sterbensmüde geworden, seine politische und militärische Kraft ohnmächtig. Sogar das Christentum, gestaltet von den Griechen auf dem Fundament der göttlichen Gegenwart Christi und der hohen Kunst kirchlicher Organisation des Paulus, war in Formalismus erstarrt - den Gläubigen in Palästina bot es weder Erleuchtung noch Sicherheit. Die Christen, die der freizügigeren Politik Roms zuneigten, wurden tyrannisiert; diejenigen, die der Koptischen Kirche Ägyptens anhingen, wurden verfolgt; und die armen Nestorianer wurden dann und wann gefoltert - immer wenn ein Kaiser wieder einmal der Meinung war, er werde diese abscheuliche Irrlehre schon ausrotten können, wenn er ihre Anhänger nur genügend strafe. In dieser
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