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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Priester.
    »Bringt sie alle her«, gebot Abd Omar. Erschreckt liefen die Mütter durch die Stadt und holten ihre Sprößlinge aus den Verstecken.
    Als die Kleinen versammelt waren, rief Abd Omar auf Griechisch: »Laßt jedes Kind zu seinen wahren Eltern gehen. Jeder Vater und jede Mutter sollen bestätigen, daß dies ihr Kind ist.« Die Kinder liefen zu ihren Müttern, die sie hastig in ihre schützenden Arme nahmen. Vierzehn blieben einsam und verlassen stehen - es waren die Waisenkinder.
    Abd Omar stieg vom Pferd und ging zu den vierzehn, als seien sie seine eigenen Söhne und Töchter. Jedes Kind fragte er: »Wo ist dein Vater?« Keines konnte Antwort geben. Da sagte er: »Diese Kinder sind von nun an Kinder Allahs, denn Mohammed hat gesagt, daß alle Kinder in unserem Glauben geboren werden. Erst ihre Eltern führen sie in die Irre.« Und er küßte die Kinder, eines nach dem anderen.
    Das letzte Kind, das er umarmte, war ein Judenkind mit jüdischem Namen. Abd Omar fragte: »Wo sind die Juden dieser Stadt? Wie habt ihr euch entschieden?« Zitternd trat der Rabbi vor und erklärte, die Juden seien bereit, sich zu unterwerfen. Sie wollten die Steuern zahlen, aber ihren Glauben behalten. Abd Omar fragte: »Ist niemand unter euch, der zu uns kommen möchte?« Schweigen. »Ein Jude hat mich großgezogen. Ben Hadad von Medina, ein Kaufherr. Ich bringe euch einen neueren, einen besseren Glauben. Will niemand übertreten?« Wiederum Schweigen. Auch Abd Omar sagte nichts mehr, denn er hatte nicht erwartet, daß die Juden sich bekehren würden. Er ging zu seinem Pferd, aber beim Aufsitzen glaubte er gesehen zu haben, daß eine Jüdin, die hübscher war als alle anderen, eine Bewegung gemacht hatte, als wolle sie sich den Siegern anschließen. Falls das wirklich ihre Absicht war, so hatte ein gebieterischer Blick des Rabbi sie davon abgehalten. Abd Omar glaubte auch das gesehen zu haben, war jedoch froh, daß keiner seiner Krieger diese Einmischung bemerkt und den Rabbi niedergehauen hatte. Denn der Araberhauptmann wollte jedes Blutvergießen vermeiden. Er dachte: Auch das wird sich später regeln.
    Hoch aufgerichtet saß er nun wieder auf seinem Pferd. Mit kurzen Befehlen wies er die Priester und den Rabbi an, alle Mitglieder ihrer Gemeinden um sich zu versammeln. Dann ritt er zu der kleinen Schar von Heiden, die allein standen. »Und ihr«, schrie er sie an, »ihr gehört nicht zum Volk des Buches?« Die Heiden blieben stumm, einige starrten ihn feindlich an, andere blickten zu Boden. Abd Omar trieb sein Pferd dicht an den vordersten heran und fragte mit lauter Stimme: »Du? Nimmst du auf der Stelle den Islam an?« Der Mann zauderte, zitterte und antwortete, er wolle dem Feuergott Persiens treu bleiben. Ehe er seinen Satz beendet hatte, wurde er von hinten erschlagen - eine Schwertklinge hatte ihm den Hals durchschnitten, sein Kopf rollte über den Boden, noch bevor der Körper fiel.
    Abd Omar warf nicht einen Blick auf die Leiche, sondern ritt zum nächsten Heiden, einem hochgewachsenen Neger aus dem Sudan. Auch der entschied sich für seinen eigenen Gott -Serapis war es. Schon wollten die Araberkrieger ihn umbringen, als Abd Omar ihnen Einhalt gebot. Er zügelte sein Pferd vor dem Neger und sagte mit Nachdruck: »Ich bin schwarz wie du, und der Prophet hat mich angenommen. Komm zu uns.«
    Der Neger wußte, was ihn erwartete. Er schüttelte den Kopf und sagte leise: »Ich stehe zu Serapis.« Abd Omar blickte fort, als er niedergestreckt wurde. Der dritte Heide jedoch, an den er sich nun wandte, gehörte zu den Nachfahren des Mannes Ur und war bis auf den Tag, allen Anfechtungen zum Trotz, seinem Gott Baal treu geblieben. Jetzt brauchte er weniger als einen Augenblick, sich für den neuen Glauben zu entscheiden.
    »Ich erkenne den Propheten an!« rief der Abkömmling Urs mit klarer Stimme. Die Herzlichkeit, mit der die Araber seinen Entschluß begrüßten, gab den übrigen Heiden den Mut, es ihm gleichzutun. Als sie niederknieten, stand der Mann aus dem unverwüstlichen Geschlecht Ur neben ihnen an einer Stelle, von der aus er die Basilika sehen konnte, wo Baal verborgen lag, und die Bergspitze, wo Baal noch immer herrschte. Dabei dachte er: Es wird unter den Arabern nicht schwieriger sein als unter den Byzantinern. An jenem Tag brauchte Abd Omar nur zwei Heiden töten zu lassen. Die übrigen hatten sich bekehrt, die Christen und Juden sich unterworfen. Dieses Palästina zu erobern, war eine Kleinigkeit! Er ließ sein

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