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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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betete für seine Seele. Am Morgen kam Herr Gunther und sagte: >Schwager, ich muß zu den anderen, sonst nehmen sie Jerusalem ohne mich ein, und ich möchte dort mein Anrecht auf ein Lehen vorbringen.< Ich sagte: >Ihr wagt es, Euren Schwager so zu verlassen.< Herr Gunther erwiderte: >Ich bin von Köln hierher gezogen, um Jerusalem einzunehmen, und nicht einmal der Teufel kann mich davon zurückhalten, die Heilige Stadt zu erobern.< Ich bat ihn, seinen Schwager nicht zu verlassen, der im Sterben lag. Herr Gunther aber antwortete: >Man wird sein Bein abschneiden müssen, und er wird sicher sterben, aber ich lasse ihm sechs gute Männer hier.<
    Graf Volkmar hörte seine Worte und rief aus seinem Bett: >Geh zum Teufel mit deinen Männern und mit deinem Lehen.< Aber Gunther wurde nicht zornig, sondern sagte leise: >Schwager, dieses Land will ich für mich nehmen, und wenn du am Leben bleibst, sollst du es mit mir teilen. < Dann ritt er davon mit allen seinen Rittern und Kriegern und Heß noch nicht einmal die sechs zurück, die er versprochen hatte. Und ich dachte, daß mein Herr sterben müsse. Aber am dritten Tag erschien ein Mann namens Schalik. Er kam aus einer Höhle, in der er dem Gemetzel entronnen war, und gab vor, ein Arzt zu sein. Er zeigte mir, wie man das Bein des Grafen Volkmar abschneiden müsse. Als das faulige Glied abgenommen war, ging es dem Grafen besser, und der geheimnisvolle Arzt sagte zu mir: >Ich und die Meinen, wir sind in Wirklichkeit Christen, aber die Mohammedaner haben uns zum Unglauben gezwungen. Wir möchten so gern wieder die heilige Taufe nehmen.<
    Und mit Tränen in den Augen tauften wir ihn und sein Weib und drei Söhne und eine Tochter. Er hatte einen heidnischen Namen, und ich sagte zu ihm: >Im Namen des HErrn, laß ab vom Unglauben<, und da er ein Arzt war, der wußte, wie man ein Bein abschneidet, sagte ich ihm, von nun an sei sein Name Lukas, und nach der Taufe wiederholte er seinen neuen Namen viele Male unter der Zustimmung der Seinen. Sein Erscheinen und die Zeichen der Heiligkeit erschienen mir als ein wahres Wunder, und ich hielt das alles für ein gutes Omen bei unserer Eroberung dieser Stadt.«
    Während aber Wezel und Schalik, der zum Arzt gewordene Kaufmann, an Volkmars Bein herumsäbelten und die Juden verfluchten für ihre Hinterlist, einen christlichen Ritter mit einer Axt anzufallen, lag der Graf in einem Delirium wilder Schmerzen. Um nicht zu brüllen, biß er auf den Griff seines Dolches. Und im Fieberwahn sah er Simon Hagarsi vor sich und hörte die Worte des Juden: »Von hundert Männern, die Gretsch verlassen, werden neun glücklich sein, wenn sie zurückkommen.« Jetzt wußte Graf Volkmar, daß er nicht zu denen gehörte, die glücklich an den Rhein heimkehrten. Den Rhein - dachte er -, ich werde ihn nicht wiedersehen. Er dachte an die Juden, die von seinen Leuten in den Städten am Fluß erschlagen worden waren. Und darum vergab er diesem einen Juden, der ihn nun hier, im Heiligen Land, verwundet hatte. »Es war die Strafe Gottes«, murmelte er, während der Araber seinen Unterschenkelknochen durchsägte. »Christus, vergib uns, was wir getan haben.« Dann war das Bein abgenommen. Mehrere Jahre lang ließ sich Herr Gunther in dem wiederaufgebauten Städtchen Makor nicht sehen. Er war weitergeritten, um bei der Einnahme Jerusalems dabeizusein; dann hatte er an der Belagerung von Askalon teilgenommen, an dem sich sehr in die Länge ziehenden Feldzug gegen Tripolis und Tyrus und endlich, im Jahre 1104, an der Eroberung der Hafenstadt Akko. Als die Stadt ihren neuen Namen Saint Jean d’Acre erhalten hatte nach der Kirche des heiligen Johannes, kehrte Gunther schließlich nach Makor zurück, wo Lukas, der neue Vogt, Richter und Schatzmeister der Stadt, ihn im Namen des Statthalters Graf Volkmar willkommen hieß.
    »Wo ist mein Schwager?« rief der hager gewordene Ritter. Lukas führte ihn zu einem großen Haus, von dem als seinem Herrensitz aus Graf Volkmar die Stadt und die Landschaft ringsum regierte.
    Gunther eilte hinein, um seinen Schwager zu begrüßen. Da stand er, ein alter, weißhaariger Mann von sechsundfünfzig, auf einem Bein, gebrechlich und gestützt auf Krücken, die Lukas geschnitzt hatte. »Der Krieg ist aus«, verkündete Gunther, »und ich habe mein Lehen.«
    »Welches Lehen?«
    »Dieses hier, das Land zwischen Saint Jean d’Acre und Galilaea.« Volkmar überlegte sich seine Worte genau, bevor er sagte: »Hier herrsche ich.«
    »Und das wirst du

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