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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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beste Handwerksarbeit, jeder Stein war dicht an den anderen gefügt
    - in den ganzen zweihundert Jahren hatte der Boden nur einmal neu verlegt werden müssen, und wenn die Steine frisch geölt waren wie jetzt, sah er fast wie ein weicher Teppich aus.
    An den Wänden standen Statuen der sieben Ahnen des Burgherrn, und auf den mächtigen Truhen sah man silberne Leuchter aus Damaskus und Aleppo, Goldschmiedearbeiten aus Bagdad und Emailkästchen aus Persien. Das Holz der Truhen und des langen Tisches stammte nicht aus dem Heiligen Land, denn hier waren die Wälder weithin eingeschlagen, sondern vom Balkan; genuesische Schiffe hatten die Möbel nach Saint Jean d’Acre gebracht. Und die herrlichen Tapisserien an der Ostwand waren Arbeiten byzantinischer Weber.
    Viel war in diesem großartigen Raum geschehen. Große Hochzeiten hatte man hier gefeiert, denn in den vergangenen hundertachtzig Jahren waren die Grafen von Gretsch und Ma Cœur, ihre Söhne und Töchter die Ehe mit Angehörigen führender Kreuzritterfamilien eingegangen. Nur die Fürsten von Antiochien, die Nachfahren Bohemunds, und die Könige von Jerusalem, Balduins 1. Nachfolger, hatten nie in das Haus Ma Cœur eingeheiratet. Den ganzen August 1191 hindurch war hier gefeiert worden, nachdem Richard Löwenherz die Burg dem Sultan abgerungen und sie Volkmar IV. zurückgegeben hatte. Vierzehn Tage hatte sich Richard Löwenherz in der Burg von den Strapazen der Belagerung des den Türken in die Hände gefallenen Saint Jean d’Acre erholt. Die Fürsten von Galilaea waren in diesem Raum in allen Ehren empfangen worden, die Embriacos aus Genua und Johann von Brienne. Die Botschafter der Komnenen-Kaiser von Byzanz hatten hier gesessen ebenso wie die Ibelinen aus galilaeischem Landadel, die Königinnen von Armenien, die Herren von Tyrus und Cesaire, die Grafen von Tripolis. Doch so groß die Namen auch sein mochten - in der Geschichte dieses Raumes hier überragte einer doch alle anderen. »Laßt uns auf Saladin trinken, unseligen Angedenkens!« Volkmar hob sein Glas, Musaffar ebenfalls (obwohl er als Mohammedaner eigentlich keinen Wein trinken durfte).
    »Ich trinke gern einen guten Wein«, sagte der Alte und fuhr nach einem Schluck fort: »Saladin war ein edler Mann, so edel, daß er ein Araber gewesen sein könnte.«
    »Zwei meiner Vorfahren sind von seiner Hand gefallen.«
    »Wenn beide Seiten auf ihn gehört hätten, wäre schon längst eine Möglichkeit für Christen und Moslimin gefunden worden, in diesem Land nebeneinander und miteinander zu leben.«
    »Ich gebe es zu«, meinte Volkmar. In diesem Augenblick kam der Sohn des Grafen herein. Der Elfjährige begrüßte den
    Araber, der ihm schon oft schöne Geschenke mitgebracht hatte. Die beiden sprachen Arabisch miteinander. Musaffar fragte den Grafen: »Habt Ihr Eurem Sohn je die Hörner von Hattin gezeigt?«
    »Nein. Unsere Familie bleibt ihnen lieber fern.«
    »Ihr solltet es aber tun im nächsten Frühjahr«, schlug Musaffar vor. »Je mehr man aus der Geschichte weiß, desto besser.«
    Die Gräfin bat die Männer in einen kleineren Raum, wo auf dem schweren Holztisch ein reiches Mahl gerichtet war. Als Hauptgericht gab es Wildbret von den Bergen bei Acre, außerdem Steinhühner, und über den ganzen Tisch waren Bronzeschalen mit Damaszenerpflaumen und Aprikosen aus Syrien, Orangen und späten Melonen von den Feldern bei Ma Cœur verteilt. Volkmar sah, daß Musaffars Leute dem Burgvogt schon neue Waren verkauft haben mußten, denn man reichte ihm als Nachspeise auf einem kleinen Silberteller aus Athen persische Veilchen, in Zucker kandiert und mit Zimt gewürzt.
    »Ich habe schon immer gern von Euren Tellern gegessen, Herr Volkmar«, scherzte Musaffar. »Sie lassen mich fast meinen, ich sei ein Christ.« Er hob einen der schönen alten Teller auf, die, vor Jahren in Jerusalem entworfen, in ägyptischen Töpfereien gebrannt worden waren, und betrachtete die hübsche Craquelee und das rote Muster: ein großer, etwas töricht aussehender Fisch mit einem offenen Maul. Seit fast einem Jahrhundert besaß jede Kreuzritterburg im Heiligen Land einen Satz solchen Geschirrs, denn der Fisch war das beliebteste Zeichen der Christenheit geworden, weil vor Jahrhunderten irgend jemand entdeckt hatte, daß die griechischen Buchstaben des Wortes Fisch, ichthys, ein Akrostichon bildeten: »Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland«.
    Während des Essens blickte Musaffar auf die Bücher in den Gestellen an der einen Wand des

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