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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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üblich, nach Ma Cœur, um seine Muskatnüsse und seinen Pfeffer, seine chinesische Seide und seine persischen Brokatstoffe zu verkaufen. Weit wichtiger aber war, daß er dem Grafen Volkmar ein Dokument der mameluckischen Behörden in Damaskus überbrachte. Wie stets, wurde Musaffar auf der Burg herzlich willkommen geheißen, denn er hatte im Laufe der Zeit viele Geschäfte für den Grafen und die Seinen erledigt und galt fast als Familienmitglied, besonders seit er vor Jahren bei der Hochzeit Volkmars VII. des Vaters des gegenwärtigen Grafen, eine beträchtliche Summe für die Kosten der Festlichkeit vorgeschossen hatte.
    Für einen Araber war Musaffar klein und neigte zu Fettleibigkeit, so daß er neben Graf Volkmar, der wie seine Vorfahren ein rothaariger, kräftiger Mann war, etwas weichlich wirkte. Dennoch machte er mit seinem weißen Bart im tiefgebräunten Gesicht, dem sandbraunen Gewand und der schwarzgoldenen Schnur um seine Kopfbedeckung eine gute Erscheinung. Als er dem Grafen das amtliche Dokument überreichte, lächelte er herzlich. »Die Mamelucken geben Euch hiermit Erlaubnis, auf Pilgerfahrt zu gehen«, sagte er auf Französisch. Dann machte man es sich in der Burghalle bequem. »Habt Ihr es gelesen?« fragte Volkmar.
    »Selbstverständlich.« Rasch wandte er sich von dem Grafen ab und eilte der Gräfin entgegen, um sie zu begrüßen. Sie küßte ihn auf beide Wangen. Volkmars Gemahlin war eine kleine, zierliche Frau; die Flechten ihrer Zöpfe hingen ihr bis zum Gürtel. Nachdem Musaffar die Gräfin mit Wohlgefallen betrachtet hatte, bemerkte er auf Französisch: »Fast jedes
    Kleid, das Ihr tragt, ist auf meinen Kamelen nach Ma Cœur gekommen. Heute bringe ich Euch würdige Nachfolge.« Er ließ einen seiner Männer eine Lederschachtel herbeibringen, in der ein reich mit Perlen besetztes Samtkleid mit langer Schleppe und weiten Ärmeln lag. »Für eine Dame, die sich auf Pilgerfahrt begibt«, sagte er galant. Sie verstand: Er wollte ihr das bezaubernde Kleid schenken. »Haben die Mamelucken die Erlaubnis erteilt?« fragte sie.
    »Mit ein wenig Nachhelfen hier und da«, lachte er und rieb den rechten Daumen gegen den Zeigefinger - wie nicht anders zu erwarten, hatte der Geleitbrief einige Bestechungsgelder gekostet.
    »Ihr seid unser bester Freund«, rief die Gräfin und küßte ihn nochmals, »aber ich gehe nicht mit.« Der alte Araber tat, als wolle er das Kleid wieder fortnehmen. Sie griff lächelnd nach seinen Händen. »In meinem neuen Kleid will ich aber gleich hier eine kleine Pilgerfahrt unternehmen!« Sie deutete durch ein Fenster hinab auf die Basilika, die Kirche der Maroniten, und auf das römisch-katholische Gotteshaus, das der Moschee gegenüberstand. »Aber unser Sohn geht mit«, sagte Volkmar.
    »Ausgezeichnet!« rief der alte Handelsherr. »Graf Volkmar! Macht Eure Pilgerfahrt im kommenden Frühjahr. Wir können uns in Safet treffen und gemeinsam durch die Berge reiten.«
    Der Graf, ein hochgewachsener, breitschultriger Mann in den Vierzig mit glattrasiertem Gesicht und scharfen Zügen, überdachte den Vorschlag einen Augenblick und entgegnete dann vorsichtig: »Es wäre sehr schön, Safet mit Euch zu besuchen, Musaffar. Aber dem steht zweierlei entgegen. Im Frühling wird es in Galilaea warm. Nun - das brauchte mich nicht zu hindern. Etwas anderes ist es, daß ich den Rückweg über Safet und von dort über Starkenberg nehmen wollte, um meinem Sohn die deutsche Burg dort zu zeigen. Das brächte Euch weit vom Weg ab.«
    »Überhaupt nicht!« widersprach der Alte. »Ich schicke meine Kamele mit den Treibern voraus, reite mit Euch durch die Berge und hole hier die Kamele ein.«
    »Kommt Ihr mit einem eigenen Pferd?« fragte Volkmar.
    »Es wäre wohl besser, Ihr bringt eines für mich. Nein! Ich kaufe das beste Pferd, das ich in Damaskus auftreiben kann, und verkaufe es dann wieder in Acre.«
    »Einverstanden?« fragte Volkmar.
    »Im April in Safet.« Die beiden Freunde schüttelten einander die Hand, und der Araber sagte abschließend: »Wenn ich das schaffen will, muß ich mich nun aber aufmachen.«
    »Nicht ehe wir gegessen haben!« Der Graf ordnete an, daß heute das Mittagsmahl früher als sonst fertig sein müsse.
    Die große Halle, in der die beiden saßen, war im Jahre 1105 von Gunther von Köln als ein Meisterstück der Kreuzfahrerkunst gebaut worden. Das Gewölbe stieg in mehreren hohen Bögen zur Decke empor, dazwischen waren schmale Fenster eingelassen. Der Steinboden zeigte

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