Die Quelle
glücklichen Ausgang ihres Unternehmens. Ein altersschwacher Priester in einem ausgefransten Ornat murmelte griechische Worte über ihren entblößten Köpfen, sie bekreuzigten sich und kehrten dann zu ihren Pferden zurück. Der Ritt durch das grüne Land der Herren von Gretsch und Ma Cœur begann.
Wie schön war Galilaea an jenem Morgen, wie schmerzlich schön. Alle Sinne tranken diese Schönheit. Die Zedern- und Kiefernwälder, die Pinienhaine waren noch nicht ganz abgeholzt; die Ölbäume und die Weinberge standen noch in voller Pracht; die Felder trugen reiche Ernte an Weizen, Hafer und Gerste, während kleine Flächen mit Sesam bestellt waren, aus dem man Öl gewinnt und Schleckereien für die Kinder zubereitet. Und etwa alle fünf Meilen traf man auf ein Dorf, das zu Volkmars Lehen gehörte; von je hundert Bauern waren nur vier Christen, die übrigen sechsundneunzig Mohammedaner, und alle lebten einträchtig zusammen. Es ist ein Land, dachte Volkmar, als er es jetzt vielleicht zum letztenmal erblickte, das wahrlich von Milch und Honig überfließt. Und er war niedergeschlagen darüber, daß er so gar keine Möglichkeit sah, es zu behalten. Als ein Nachkomme aus dem Geschlecht des Mannes Ur liebte Volkmar sein Land nicht nur, weil es sein Lehen war, sondern weil es gut war und schön in sich selbst, weil es wert war, in seinem ganzen Reichtum bewahrt zu bleiben. Die Mamelucken jedoch - und auch das wußte Volkmar - gaben sich nicht die geringste Mühe, ein solches Land fruchtbar zu erhalten, wenn sie es erst einmal erobert hatten. Sie erschlugen die Bauern, fällten die Bäume, ließen die Bewässerungsanlagen verfallen: Mochten die Ziegen der Beduinen hier ihr kärgliches Futter suchen! Welche Sinnlosigkeit, diese Felder brachliegen zu lassen!
Als die Pilger sich auf dem Weg nach Nazareth befanden, erklärte der Graf seinem Sohn: »Das Geheimnis des Reichtums besteht darin, viele Leute sinnvoll arbeiten zu lassen. In der ersten Zeit haben wir das nicht begriffen und alle getötet, die auf dem Land lebten, denn sie hatten einen anderen Glauben. Aber dann haben wir schnell gelernt, daß wir uns damit selbst umbrachten. Das Land lag brach, bis sich Hände fanden, die es bestellten. Der erste Graf unserer Familie hat das schon sehr früh erkannt, und deshalb ist unser Geschlecht im Lauf der Jahre aufgeblüht, andere aber nicht.«
»Konnten wir deshalb auch die Burg bauen?« wollte der Knabe wissen. »Nun.« Sein Vater stockte. Zu gegebener Zeit, dachte er, kann mein Sohn lesen, was Wezel von Trier geschrieben hat; es ihm jetzt schon zu erklären ist schwierig. Und dabei fielen ihm die Worte des alten Chronisten wieder ein. Sie trafen ihn immer noch mit der ganzen Wucht, die er damals empfunden hatte, als er sie zum erstenmal las:
»Und nach dem Tod meines Herrn Volkmar, Friede seiner Seele!, ereigneten sich unerwartete Dinge in der Burg zu Makor. Herr Gunther von Köln nahm sich sehr bald meine
Herrin Taleb zum Weibe, aber ihren Sohn Volkmar warf er in das Gefängnis, wo der Knabe nur wenig Nahrung und kein Sonnenlicht hatte und wo ihn keiner belehrte. Und dort schmachtete der Knabe sieben Jahre. Denn Gunther verkündete, er werde einen eigenen Sohn haben, der die Grafschaft erben solle. Als aber die Herrin nicht gesegneten Leibes ward, fluchte der Ritter unter meinen Augen und schrie: Verdammtes Weib, für ihn ist dein Bauch dick geworden. Und eines Abends bei einem Festmahl schwor er laut vor allen Anwesenden, er werde jede Nacht bei seiner Frau schlafen, >und zwar ein ganzes Jahr lang, bis sie mir einen Sohn gebiert. < Vom anderen Ende der Tafel aber konnte man die Frau Gräfin mit ruhiger Stimme sagen hören, sie sei den Beweis nicht schuldig geblieben, daß sie Kinder bekommen könne, denn sie habe ja einen Sohn, und deshalb liege die Sache wohl an ihm. Über diese Abfuhr lachten wir alle laut. So nahm sich Gunther viele Frauen und schlief mit ihnen, aber keine gebar ihm den gewünschten Sohn. Und da mein Herr Gunther nun schon über vierzig Jahre alt war, sah er ein, daß er kinderlos bleiben werde und daß nach seinem Tod der Knabe im Gefängnis als einziger Erbe bliebe. Dieser war jetzt elf Jahre alt, wovon er sieben in Finsternis verbracht hatte, und jetzt wandte sich mein Herr Gunther dem Kind zu wie seinem eigenen, das ihm ein kostbarer Schatz ist. Er lehrte den Knaben alles, was er selbst vom ritterlichen Waffenhandwerk und von der Verteidigung der Burgen wußte, auch, wie die Bauern zu regieren
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