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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Gastgeberin zur Verfügung. Sie saß zwischen den beiden deutschen Rittern. Eberfleisch und Wildbret wurden gereicht, gewürzte Weine, Datteln, Honig und exotische Gemüse. Auf dem Höhepunkt des Festes rief Gunther den Damaszenern zu: »Ihr reist doch sehr viel herum. Ich habe die Absicht zu heiraten. Sagt mir, sind die armenischen Prinzessinnen von Edessa wirklich so hübsch, wie erzählt wird?« Ein Kaufmann erwiderte: »Euer Graf Balduin hat eine zur Frau genommen. Ich habe sie in Edessa gesehen - eine große Dame.«
    »Sie sind Christinnen«, bemerkte Volkmar.
    »Ich denke, ich schicke einen Boten zum König von Frankreich«, sagte Gunther, »und halte um die Hand einer seiner Schwestern an.«
    »Zum König von Frankreich?« wiederholte Volkmar. »Glaubst du denn, der antwortet dir?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Gunther. »Denn eines Tages bin ich hier König.« Dabei fiel sein Blick auf Taleb. Mit ruhiger Stimme fuhr er fort: »Aber vielleicht sollte ich den König von Frankreich sich ruhig selbst um seine Schwestern sorgen lassen. Ich brauche wohl doch nicht so weit zu gehen.«
    Volkmar hatte den Blick wohl bemerkt und auch verstanden, was Blick und Wort bedeuteten. An diesem Abend schwieg er dazu. Aber von nun an blieb er der neuen Burg fern; von seinem alten Haus aus kümmerte er sich um die Verwaltung der Herrschaft Makor. Allmählich jedoch mußte er erkennen, wie ihm eines seiner Vorrechte nach dem andern genommen wurde. Lukas, dieser Nachfahre aus dem so anpassungsfähigen Geschlecht des Mannes Ur, ging sehr schnell von seinem alten Herrn zu Gunther über und baute in den Räumen der Burg einen Verwaltungsapparat auf, der alle Amtsgeschäfte übernahm. Deshalb bestellte Graf Volkmar den Vogt eines Morgens in die Basilika - er wollte ihn an neutraler Stätte treffen - und fragte ihn rundheraus, was eigentlich vor sich gehe. Lukas erklärte, es sprächen so viele Bauern aus den umliegenden Dörfern vor, und es sei für ihn leichter, mit ihnen in der Burg zu verhandeln. »Sie wollen es auch so«, setzte er hinzu. »Aber die Steuern werden noch an mich bezahlt?« fragte Volkmar.
    »Selbstverständlich! Selbstverständlich!« versicherte ihm Lukas. Volkmar humpelte nach Hause, um Taleb zu bitten, ihm in aller Wahrheit zu sagen, was gespielt wurde. Er kam nicht dazu. Denn in seinem Haus fand er seine Frau in enger Umschlingung mit Gunther, wie bei einem Ringkampf - ihr
    Kleid heruntergerissen, so daß sie bis zur Hüfte nackt war. Und er war keineswegs sicher, ob sie sich gewehrt hatte. Dann aber kam das Schwerste: Gunther stand hinter Taleb, seine Arme umfaßten sie, seine Hände hielten ihre Brüste, und Volkmars Frau schmiegte sich schutzsuchend an den, der nicht ihr Gatte war. »Du bist ein alter Mann«, rief Gunther brutal. »Dein Bein ist nie richtig zugeheilt, und du mußt bald sterben. Wenn du tot bist, nehme ich deine Frau. Wir werden unsere eigenen Kinder haben. Deinen Bankert schicke ich zurück nach Deutschland, und wenn er nicht will, erwürge ich ihn.« Mit diesen Worten küßte Gunther die halbnackte Frau auf den Hals.
    Volkmar hatte nur eine Krücke. Er schlug mit ihr nach Gunther. Nach einem kurzen Handgemenge fiel der Graf zu Boden. Gunther, der noch immer Talebs Brüste hielt, stieß voller Verachtung mit dem Fuß nach ihm. Der Stumpf brach auf und blutete. Taleb und Gunther gingen.
    Volkmar rief nach seinen Knechten, sie sollten schleunigst Lukas holen. Der Arzt jedoch, der wußte, was sich ereignet hatte, war nicht zu finden. Volkmars Stumpf blutete weiter. Über diesen dunklen Tag in der Geschichte von Makor schrieb Wezel in seiner Chronik der deutschen Kreuzfahrer:
    »Ich trug meinen Herrn Volkmar auf sein Bett, denn er war sehr abgemagert in letzter Zeit. Indem er seine Hände in den weißen Bart krallte, sagte er: >Ich habe wieder Schmerzen. Und ich habe neuen Schmerz. Lange werde ich nicht mehr leben.< Aber er überstand die Nacht. Am Morgen rief er nach seinem Sohn. Der kam, vermochte aber nicht zu begreifen, wie sehr krank sein Vater war. Meines Herrn Volkmar Weib Taleb, die ich selbst getauft habe, kam nicht in sein Zimmer. Sie vergnügte sich in der Burg mit dem Herrn Gunther, für den sie schon damals eine auffallende Vorliebe hatte, und ich wollte sie nicht an ihre Pflicht erinnern müssen. Am Abend sagte ich zu meinem Herrn Volkmar: Armer Herr, Ihr seid nie nach Jerusalem gelangt.< Er aber erwiderte mir, was die Wahrheit ist: >Du hast unrecht, Wezel. Denn an dem Morgen,

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