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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Schwert gegen die zu ziehen, die eigentlich    ihre    Waffengefährten    hätten    sein müssen.
    Deshalb war es schwierig, wenn nicht gar aussichtslos, die drei Ordensmeister    für    die Planung    einer    gemeinsamen
    Verteidigung zu gewinnen. Jeder Orden hatte in Acre sein eigenes befestigtes Viertel. Die Ordensritter blickten nur mit Verachtung auf die Kaufleute und umgekehrt; aber da die einen ohne die anderen nicht zu existieren vermochten, hielt man zähneknirschend Waffenstillstand.
    Aber Acre war auch noch ein drittes Mal gespalten. Militärisch war diese Spaltung von untergeordneter Bedeutung. Was aber die Moral betraf, so war sie wohl die wichtigste. Achtunddreißig Kirchen gab es in Acre: katholische, die Rom unterstanden; griechisch-orthodoxe unter Byzanz; griechisch-katholische, die zwar Rom gehorchten, aber ihren eigenen Ritus hatten; Kirchen der Monophysiten, die weder Rom noch Konstantinopel anerkannten, sondern hartnäckig an ihrem alten Glauben von der einen gottmenschlichen Natur Christi festhielten - die Kopten aus Afrika gehörten zu ihnen, die Armenier und vor allem die Jakobiten Syriens, deren Priester das Kreuz mit nur einem Finger schlugen, um so der Welt die Einheit Christi zu künden.
    Vier verschiedene Arien von Kirchen, vier verschiedene Riten, vier verschiedene Theologien, und nur eines verband sie: der Haß aller gegen alle. In jeder kritischen Situation - dessen konnte man nahezu sicher sein - vertrat jede der vier Gruppen ihre eigene, von der aller anderen abweichende Meinung, versuchte jede, ihren Feinden zu schaden oder sie gar den Mamelucken auszuliefern.
    So bestand die vieltürmige Stadt Acre, die aus der Entfernung so gewaltig aussah, eigentlich nur noch aus einem Gemisch von elf Gruppen, die nur in einem einig waren, in der Furcht vor dem Feind, der drohend in Lauerstellung lag: die Fondacos der Venezianer, Genueser und Pisaner; die Templer, Johanniter und Deutschherren; die Römische, die Byzantinische, die Griechische und die Monophysitische Kirche; und die elfte und schwächste, das Königreich von Jerusalem, regiert von einem gutaussehenden, aber machtlosen jungen König, dessen Vertraute wenigstens die Tatsache geheimzuhalten verstanden hatten, daß er Epileptiker war. In diesem Wirrwarr gab es nur einen Trost, die Glocken von Acre. Als nun die Zeit zum Abendgebet gekommen war, hallte ihr Läuten herzbewegend über die ummauerte Stadt. Zuerst hörte man den tiefen Klang der Eisenglocke von St. Peter und Andreas, der katholischen Kirche in der Nähe des Ufers, die gewichtig den Rhythmus angab; dröhnend fielen die Bronzeglocken der koptischen Kirche ein und hell die der syrischen Kirche St. Markus von Antiochia. Und dann folgte einer der fünfunddreißig Glockentürme nach dem anderen, bis die meerumgürtete Halbinsel im Hall der Glocken erbebte. In keiner Stadt des Königreichs Jerusalem - das einen so großen Namen trug und so wenig bedeutete - hatte es jemals so viele Glocken gegeben wie in Acre, und seit seiner Kindheit liebte Volkmar dieses Läuten. Als er jetzt in den azurblauen Himmel sah, aus dem die Stimmen der Glocken zu ihm sprachen, glaubte er für einen
    Augenblick wieder hoffen zu können. Hingegeben lauschte er diesem Wunder an überirdischen Klängen. Aber schon zog ihn ein Kaufmann aus Pisa am Ärmel und flüsterte: »Herr, hört nicht auf die Venezianer, wenn sie Euch versprechen, Euer Öl für einen höheren Preis zu kaufen, als wir Euch letztes Jahr gezahlt haben. Worte, nichts als Worte. Ihr kennt die Venezianer.«
    Volkmar wandte sich angewidert ab, und das alte Gefühl des Verlorenseins kam wieder über ihn. Er ritt zum Fondaco der Venezianer, über    dessen Tor    das    steinerne    Abbild eines
    Schweines angebracht war als Verhöhnung der Mohammedaner, und begab sich in die Karawanserei, einen geräumigen Hof, umgeben von Gebäuden mit Schuppen für Kamelfutter im    Erdgeschoß    und    darüber    Zimmer für
    Übernachtungen. Der Graf suchte Musaffar, denn er nahm an, daß der alte Araber noch immer seine Geschäfte mit den Venezianern machte. Und da    war    Musaffar    auch schon.
    Volkmar drückte    ihm die Hände und ging mit ihm in die
    Kirche St. Peter und Andreas, die Volkmar deshalb liebte, weil diese beiden Heiligen galilaeische Fischer gewesen waren. Vor einem der Altäre dankte er Gott im Gebet, daß er seine Reise ungefährdet überstanden hatte, während

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