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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Unsummen von Geld ist er seinem Ziel, der Befreiung der Heiligen Stadt, niemals auch nur nahegekommen. In der Erinnerung aber lebt er bis heute weiter als der ideale Kreuzfahrer.
    Von Friedrich dem Zweiten hingegen hätte man annehmen sollen, daß er nur Unheil über das Heilige Land brachte. Genau das Gegenteil trat ein: In allem, was er anfaßte, war er erfolgreich. Als guter Kenner des Islam überdachte er mit kühlem Kopf die Lage im Heiligen Land und kam sehr schnell zu dem Schluß, daß es eine sinnlose Kraftvergeudung bedeute, gegen die Mohammedaner zu kämpfen, denen zu diesem Zeitpunkt an einem Krieg mit den Kreuzfahrern ebensowenig lag wie ihm. Und so erreichte der deutsche Kaiser in geschickt geführten Verhandlungen, daß es zu einem Waffenstillstand kam. Den Christen wurde alles zugestanden, wofür sie gekämpft hatten: Herrschaft über die drei heiligen Städte Jerusalem, Bethlehem und Nazareth; freier Zugang zu diesen Städten und Schutz für alle christlichen Pilger; zehn Jahre Frieden. Wenige Kreuzfahrer - ganz gleich, wie groß ihre Heere oder ihre Schätze an Besanten waren - hatten jemals mehr erreicht. Nach nur wenigen Monaten kehrte der grünäugige, bucklige Deutsche aus dem Heiligen Land nach Europa zurück. Er hatte gezeigt, wie ein Krieg zwischen ebenbürtigen Gegnern geführt werden sollte.
    Es ist völlig absurd, so grübelte Cullinane weiter, aber Friedrichs erfolgreiche Verhandlungen brachten die Ritter, die doch für das gleiche gekämpft hatten, so in Zorn, daß sie ihn in aller Offenheit schmähten. »Ein wahrer Ritter kann Jerusalem nur im Kampf befreien«, wüteten sie. »Jeden Moslem in der Stadt hätten wir umbringen sollen.« Andere meinten, man hätte das Land verwüsten und die Einwohner versklaven sollen. »Bei Christi Blut! Wie Männer hätten wir losziehen und einen ehrlichen Kampf Schwert gegen Schwert ausfechten sollen.« So leidenschaftlich wurde der Haß, daß der verwachsene König, als er Acre verließ, von den Bürgern, die sich auf den Straßen zusammengerottet hatten, unter wilden Verfluchungen mit den Gedärmen von Schweinen beworfen wurde, und an einer Straßenecke überschüttete man ihn sogar mit Unrat. Denn er hatte getan, was keinem König und keinem Volksführer erlaubt ist: Durch friedliche Verhandlungen hatte er erreicht, was der Wille des Volkes gewesen war. Aber gerade dadurch hatte er die Bürger um einen herrlich erregenden Krieg betrogen. Und das war unverzeihlich.
    Im Frühsommer des Jahres 1290 schien sich die Lage der Kreuzritter zu verbessern. Ein wenn auch noch etwas zurückhaltender Optimismus war im Land zu spüren. Die Ernte versprach überdurchschnittlich gut zu werden, Olivenöl und Wein gab es im Überfluß. Die Mamelucken verhielten sich ruhig, und nach Acre gelangte die Nachricht, daß der Aufruf des Papstes Nikolaus IV. zu einem neuen Kreuzzug ungehört in Europa verhallt sei. So glaubten die Menschen begründete Hoffnung zu haben, daß der Waffenstillstand erhalten blieb.
    Auch Volkmar von Ma Cœur bekam diesen Optimismus in seiner Grafschaft zu spüren, und so ließ er den Plan fallen, seinen Sohn nach Europa zu schicken. Er besichtigte die Mauer seiner Stadt und das Glacis noch einmal sehr genau und kam dabei zu dem Schluß: »Wenn es zu irgendwelchen kleineren Kämpfen kommen sollte, hält die äußere Mauer mit Bestimmtheit fünf oder sechs Tage.« Dann betrachtete er den Graben und die dicke Mauer der Burg mit dem Ergebnis, daß die Befestigungen mindestens ein halbes Jahr einer Belagerung standhalten konnten, wie sie es ja auch in früheren Zeiten schon oft getan hatten; die Außenfläche der Mauer war so glatt wie eh und je, und der untere Mauervorsprung mußte die Steine wirkungsvoll in die Reihen der Angreifer schleudern. »Wenn das nächste Jahrhundert anbricht, sind wir in unserer Burg«, flüsterte Volkmar vor sich hin.
    Anfang Juli entschloß er sich zu einem Besuch in Saint Jean d’Acre, um dort zu erfahren, ob auch die führenden Männer des Königreichs so hoffnungsvoll waren wie er. Als er auf die altberühmte Stadt zuritt und ihre Türme sich vor dem Meer erheben sah, verstärkte sich in ihm das Gefühl der Sicherheit, denn auf eine geheimnisvolle Weise übertrug Acre seine Stärke auf alle, die es sahen. Die Stadt hatte viel Unglück erlebt, aber stets überdauert. Vor hundert Jahren hatte Saladin sie nach seinem Sieg bei den Hörnern von Hattin eingenommen; aber vier Jahre später schon war sie von Richard

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