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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Löwenherz, der achtzigtausend Mann vor den Toren von Saint Jean d’Acre in den Tod geschickt hatte, zurückerobert worden. Volkmar war überzeugt, daß der Stadt beschieden sei, in den Händen der Kreuzritter zu bleiben.
    Die Stadt lag auf einer Halbinsel; ihre Stärke verlieh ihr das Meer, und ihre Befestigungen standen dort, wo sie auf das Ufer trafen, auf mächtigen Steinsockeln im Salzwasser. Eine gewaltige Mauer zog sich quer über die ganze Halbinsel, und das Herz der Stadt war abermals durch eine Mauer gesichert. Acre war die eindrucksvollste Stadt an der Küste. Als Volkmar mit seinen Männern an das schwer mit Eisen beschlagene Tor unter den wuchtigen Wehrtürmen kam, riefen seine Leute stolz: »Volkmar von Ma Cœur!« Die dicken Torflügel öffneten sich, um die staubbedeckten Ritter in die Sicherheit von Acre einzulassen.
    Kaum aber hatten die Ritter das Bollwerk der Kreuzfahrer betreten, als Volkmar auch schon von einem venezianischen Kaufmann begrüßt wurde, der ihm zurief: »Herr, Herr! Verkauft Eure Oliven dieses Jahr nicht an die Pisaner. Sie sind Räuber.« Und damit befand sich Volkmar bereits wieder inmitten dieses entsetzlichen Wirbels widerstreitender Interessen und Zielsetzungen, wie er so kennzeichnend war für die letzten Monate christlicher Herrschaft in dieser Stadt. »O Gott«, murmelte er, als er anhören mußte, mit welcher Wut die Streitenden einander gegenüberstanden. »Diese Stadt übersteht ja keine Woche mehr. Wir sind tatsächlich verloren.« In jenen so schönen Sommertagen, als für die Kreuzfahrer das Ende mit Schrecken nahte, konnte man in Acre all die Gründe für den Untergang der Kreuzzugsbewegung mit Händen greifen, denn wenige Städte sind je so furchtbar gespalten gewesen wie dieses Acre im Jahr 1290. Nominell herrschten hier die Franken Heinrichs II. Königs von Jerusalem, der jedoch weder ein Königreich noch die Heilige Stadt besaß. In Wirklichkeit aber war Saint Jean d’Acre eine italienische Stadt, zerrissen
    von den Parteikämpfen zwischen Welfen und Gibellinen. Das Zentrum von Acre war in drei Handelsniederlassungen aufgeteilt, jedes gegen die anderen durch Mauern völlig abgeschlossen, mit eigenen Kirchen, eigenem Rathaus, eigener Verwaltung und eigenen Gesetzen. Mittelpunkt der italienischen Quartiere war jeweils der Fondaco, ein großes, um einen Hof gebautes Lagerhaus, nach dem man das Viertel benannte und von dem aus man gegen seine Konkurrenten kämpfte, offen mit Kriegern und heimlich mit Meuchelmördern. Der größte Fondaco, am Ostufer, gehörte den Venezianern, die damit über das günstigste Gelände verfügten. Sie unterstanden lediglich den Gesetzen ihrer Vaterstadt an der Adria - die Beamten König Heinrichs wurden nicht einmal in ihre Mauern eingelassen. Mitten in Acre lag, wohlbefestigt nach allen Seiten, der Fondaco der Genueser, dessen Einwohner nur den Gesetzen von Genua gehorchten. Und an der Südspitze der Halbinsel, an einer von den Winden umwehten Stelle am Meer, hatte der ebenfalls unabhängige Fondaco von Pisa seinen Platz. Die denkbar schlechten Beziehungen der einzelnen Stadtteile zueinander machten die ganze Schwäche der Kreuzfahrerstadt offenkundig:    Die Auseinandersetzungen im Abendland
    bestimmten das Leben im Heiligen Land. In Italien hatte Genua Pisa den Krieg erklärt, und Venedig war eifersüchtig auf Genua - mit dem Erfolg, daß in Acre die Genueser von den Venezianern aus der Stadt vertrieben wurden und genuesische Schiffe dafür Rache nahmen, indem sie venezianische und pisanische Schiffe kaperten und die Matrosen den Mamelucken als Sklaven verkauften. Es herrschte Krieg -Krieg einzig und allein um des wirtschaftlichen Vorteils willen. Und wenn es für eine der feindlichen Parteien von Acre sich jemals als günstig erweisen sollte, die Stadt an die
    Mamelucken zu verraten, so hätte sie es ganz gewiß ohne die geringsten Gewissensbisse getan.
    Die Spaltung zwischen Venezianern, Pisanern und Genuesern war nicht die einzige und nicht die entscheidende. Denn die Stadt wurde nicht durch ein gewöhnliches Heer verteidigt, sondern durch drei Ritterorden - die Tempelherren, die Johanniter und die Deutschordensherren -, und alle drei waren ebenfalls souverän und pochten eigensinnig auf ihre Rechte. So stand es    den    Ordensmeistern    frei, von sich aus
    Abmachungen mit den Mamelucken zu treffen    und selbst zu
    bestimmen, wann und wie sie kämpfen wollten. Und nicht selten waren sie sogar bereit, das

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