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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Stadt fern bin, bleibt mir nur ein Ton in Erinnerung an das Paradies am Berge: der Ruf der Muezzins von den arabischen Minaretten, die das jüdische Viertel überragen. Während ich seinen Nachhall höre, denke ich daran, wie leicht Juden und Araber in dieser Stadt miteinander zu leben vermögen. Ich wundere mich über die bitteren Behauptungen der Portugiesen, mit den Juden sei ein Zusammenleben nicht möglich, über die Widrigkeiten in den deutschen Städten und besonders über den Haß, den die Spanier in Amsterdam den Juden dort entgegenbringen. Mir sagte einmal jemand: »Araber und Juden wohnen nur deshalb friedlich in Safed beieinander, weil beide mit gleicher Härte von den Türken regiert werden. Regierten die Araber, so würden sie die Juden mißhandeln, und regierten die Juden, so wären sie unduldsam.« Ich hoffe, die Rabbinen von Amsterdam werden mir über diese Sache Aufschluß erteilen.
    Da wir Juden in Europa durch die Verhältnisse gezwungen werden, ein sehr unbefriedigendes Leben zu führen, möchte ich nicht den Eindruck erwecken, als sei Safed ein Paradies. Falls es von der Sittenstrenge dieser Stadt abhinge, den Messias zu veranlassen, auf die Erde herabzukommen, müßten wir lange auf ihn warten. Denn die Männer von Safed lieben die Frauen und den Wein. Den Wein lassen sie in großen Fässern aus
    Damaskus liefern, und um die Frauen zu bekommen, haben sie äußerst schlaue und zweckmäßige Vorkehrungen getroffen. An der Grenze zwischen Araber- und Judenviertel unterhalten die Araber ein Haus, in dem jüdische Männer gegen Geld Mädchen aus Damaskus besuchen können. Die Juden dagegen führen ein Haus, in dem die Araber Judenmädchen aus Akka und Nazareth besuchen. Ich war selbst eines Abends in dem Haus der Araber und kann nur sagen, daß es der Stadt zur Ehre gereicht. Selbst die Rabbinen waren recht munter, und man hat mir im Vertrauen erzählt, daß Doctor Abulafia, der viel häuslichen Ärger mit seinem zänkischen Weib erdulden müsse, eine Kebse in der Nähe der Jeschiwa wohnen habe, an der Joseph Karo lehrt. Nie werde ich vergessen, wie Rabbi Zaki mit Genuß die Geschichte des großen Rabbi Akiba nacherzählte: »Akiba, den es nach Erkenntnis gelüstete, folgte seinem Lehrer unmittelbar ins Zimmer im Freudenhaus, und von dem, was er ihn dort tun sah, erlernte er drei gute Gewohnheiten, die er seither immer anwandte.« Als ich daraufhin fragte:    »Worin    bestanden denn diese drei
    besonderen Kunstgriffe, die Akiba im Freudenhaus lernte?« nannte Rabbi Zaki sie mir offen. Und wir würden nicht schlecht fahren, wenn wir sie in Amsterdam einführten. Viele der Hymnen, die wir in den Synagogen sangen, handeln von der leidenschaftlichen Liebe, und die Frauen von Safed tragen gern feine Gewebe und erhalten sie auch. Schmuck konnten wir bei den Arabern kaufen, und ein Mann, der seiner Frau nicht das eine oder andere Stück kauft, wird schief angesehen. Als ich die Stadt verließ, gab ich deshalb vier Geschenke; sie waren billiger und von besserer Machart als alles, was ich in Antwerpen hätte bekommen können.«
    Dom Miguel aus Amsterdam beschließt seinen Bericht über Safed mit einem Abschnitt, der in späteren Jahrhunderten oft
    zitiert worden ist, gleichsam als Schilderung eines Ideals, das die Juden anstreben sollten:
    »Ich bin über die Berge nach Pekiin gewandert und sitze in der Höhle, in der Simeon ben Jochai auf der Flucht vor den römischen Kriegern den Sohar schrieb. Jetzt glaube ich Safed zu verstehen. Wenn künftig Männer euch sagen, uns Juden sei es bestimmt, heimatlos zu sein und kein eigenes Land zu haben, oder wir vermöchten uns nicht selbst zu regieren oder könnten nicht mit anderen friedlich Seite an Seite hausen, so schickt solche Lügner nach Safed, denn dort werdet ihr Juden und Araber in Frieden leben sehen. Ihr werdet sehen, daß Doctor Abulafia unschwer mit Rabbi Elieser bar Zadok auskommt, und daß die Bevölkerung einer Stadt in den Bergen glücklich unter dem Gesetz unseres Lehrers Mose lebt und dabei reich wird. Vor allem aber werdet ihr einen dicken kleinen Rabbi aus Italien sehen, der durch die steilen Gäßchen pustet, hinauf und hinab, und allen Menschen Liebe bringt. In Jerusalem sagte man mir: »Du wirst in Safed die Hauptstadt der Judenheit erkennen.« Das jedoch tat ich nicht, denn für mich wird Jerusalem stets die Hauptstadt bleiben. Aber ich fand Rabbi Zaki, und er ist das Herz der Judenheit.«
    In einer Hinsicht allerdings verfiel Dom

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