Die Quelle
keine Lampe werden angezündet. Rabbi Zaki verbringt den Tag in der Nähe eines
Fensters, auch wenn er in der Synagoge weilt, und wendet den Blick nicht vom See. Denn, so sagte er mir, wenn der Messias auf die Erde niedersteigt, wird er eines Sabbatmorgens auf diesen Wassern erscheinen und dann über die Berge nach Safed wandern. »Und es wäre ein großes Versäumnis«, sagte Rabbi Zaki, »wenn wir dann, wenn er die Stadt betritt, nicht bereit wären.« Der Sabbat endet am Samstagabend, sobald ein Mann mit einem Blick drei Sterne sehen kann. Hier ist es Sitte
- und ich habe die Sitte liebgewonnen -, daß die Rabbinen dann zusammenkommen, gleichsam als wollten sie den Tag verlängern, ein Fest abhalten, alte Lieder singen und von der Güte reden, die ihnen zuteil geworden ist. Rabbi Zaki betet fast bis zum Tagesanbruch, er hält gleichsam bittend das Kleid der Braut fest, wenn der Tag in die Vergangenheit hinüberschreitet. Wie wunderschön kann der Sabbat in diesen letzten Augenblicken sein! Einen so kummervollen Tag aber wie den Sonntag in Safed habe ich nie erlebt. Rabbi Zaki wacht auf, und seine Zunge schmeckt wie Asche. Ich höre ihn in seinem Bett rumoren, er fürchtet sich vor dem Schritt des Boten. Widerstrebend legt er die Kleider an, und schweigend gehen wir zur kalten Synagoge, die in einer so anderen Stimmung erscheint als noch vor wenigen Stunden. Während dieses Frühgottesdienstes schaut Zaki niemanden an und betet für sich allein, wie wir übrigen auch. Wenn dann Tag ist, die Sonne am Himmel steht, treffen die Rabbinen an den Straßenecken zusammen, mürrisch und niedergeschlagen, und versuchen herauszufinden, was in der vergangenen Woche wieder einmal falsch gemacht worden ist. »Wären wir die ganze Woche hindurch wahrhafte Gottesmänner gewesen«, klagt Rabbi Jom Tow, »so wäre der Messias sicherlich gekommen. Was haben wir falsch gemacht?« Und die Rabbinen reden über die Fehler der Vergangenheit, die Sünden, die dem Messias noch immer den Zugang in sein
Heiliges Land verwehren. Oft habe ich Rabbi Zaki sagen gehört: »Hier in Safed sind wir so sehr mit dem Kampf um unser eigenes Glück beschäftigt, daß wir unsere Pflichten gegen die weite Welt vergessen.« Und oft verläßt er die zwanglosen Sonntagszusammenkünfte, um mit erneuter Kraft seine einfache Lehre zu predigen: »Mehr Barmherzigkeit! Mehr Liebe! Mehr Hingabe an des HErrn Thora!« So bemühen sich die Juden von Safed mit Beginn jeder Woche erneut, ein frommes Leben zu führen, damit ihr Beispiel den Messias auf die Erde herabhole. Denn, wie Rabbi Zaki nie müde wird zu mahnen: »Es steht im Talmud geschrieben, daß durch die Reue einer einzigen Gemeinde die ganze Welt gerettet werden kann.« Ich dagegen glaube, daß die Herabkunft des Messias, wenn sie je geschieht, durch die Bemühungen eines einzigen Mannes erreicht wird, und dieser Mann wird Rabbi Zaki der Schuster sein.
Was die weltliche Leitung der Stadt angeht, so werden die dreiundzwanzigtausend Juden, dreißigtausend Araber und ich weiß nicht wie zahlreichen Christen von türkischen Paschas regiert, die aus Konstantinopel gekommen sind. Die Türken ziehen Steuern ein, legen die Vorschriften für den Wollmarkt fest und stellen Soldaten, wenn von Zeit zu Zeit Banditen (man nennt sie hier Bedawi) auf ihren Streifzügen die Stadt bedrohen. Das tägliche Leben der Juden regelt sich nach den Anordnungen ihrer Rabbinen, während über die Araber ihre Kadis, die Richter, und über die Christen ihre Priester bestimmen. Seit der Ankunft von Rabbi Zaki und Rabbi Elieser hat es kein Todesurteil und nur wenige Scheidungen gegeben. Von Ehebruch hörte ich zwar, aber von keinem einzigen Armen, der nicht sein Almosen erhielte. Wenn die Rabbinen Zeit erübrigen, bringen sie den Kindern das Lesen bei, aber die regelrechten Schulen, die den deutschen Juden zur Ehre gereicht haben, fand ich hier nicht. Von irgendwelchen
Vergehen gegen Ruhe und Ordnung in der Stadt habe ich nie etwas erfahren. Dagegen sah ich mit Befriedigung, daß den Geschäftsleuten nicht gestattet wird, übermäßigen Gewinn für sich herauszuschlagen. Denn während meiner Anwesenheit in Safed tadelte Rabbi Zaki den Rabbi Jom Tow in aller Öffentlichkeit, weil dieser trotz zunehmenden Gewinns den Lohn seiner Arbeiterinnen nicht erhöht hatte, und auf Verlangen der Öffentlichkeit wurden denn auch die Löhne erhöht. Ich wünschte, alle Juden lebten so rechtschaffen wie die Juden von Safed.
Seltsam, jetzt, da ich der
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