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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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antwortete er sachlich.
    Elischewa war nun zwanzig Jahre alt und glich ihrer Mutter mehr denn je. Sie war groß und bewegte sich würdevoll wie ihr Vater, aber wie ihre Mutter liebte sie kleine Kinder und Märchen. Und wer ihr nachsah, machte sich seine Gedanken über sie: Selbst spanisch sprechende Juden gingen in die deutsche Synagoge, um zu sehen, ob Elischewa anwesend sei, viele junge Männer dachten an die Ehe mit der Tochter des Rabbi, und einige kamen in Zakis Werkstatt, um die Sache mit ihm zu besprechen: »Frag ihren Vater«, riet ihnen der dicke Rabbi. »Ich fürchte mich vor Rabbi Elieser«, sagten sie daraufhin meist. »Ich werde mit ihm reden, wenn deine Eltern mich dazu auffordern«, versprach Zaki. Einem jungen Mann aber, der noch kleiner war als er selbst, sagte Zaki: »Vergiß Elischewa. Sie ist groß, und du bist klein, und Männer und Frauen, die einander heiraten, sollten in jeder Hinsicht zueinander passen.« Er vereinbarte für den Freier eine andere Heirat - der Mann sagte Zaki später, daß er sehr zufrieden sei.
    Zweimal ging Rabbi Zaki zu Elieser, um im Namen der Freier mit ihm zu sprechen. Aber der deutsche Jude, der seine leibhaftige Erinnerung an Lea nicht verlieren wollte, gab ihm den Bescheid: »Elischewa kann noch ein bißchen warten. Und ich schaue sie so gern an, wenn sie mir die Bücher bringt.«
    In den folgenden Jahren trafen Rabbi Zaki zwei schwere Schläge, die seine Lebhaftigkeit dämpften. Sein einziger Trost dabei war es, daß der erste sich vor dem zweiten ereigneten und seiner Frau dadurch Kummer erspart blieb. Zu Anfang des Jahres 1555 erkrankte Rachel. Doctor Abulafia wurde gerufen, konnte aber nichts für seine Schwiegermutter tun. »Sie vergiftet sich mit ihrer eigenen Galle«, behaupteten ein paar Leute. Seit einiger Zeit setzte sie ihrem Mann wieder zu mit Fragen, warum er nicht eine eigene große Synagoge baue und eine Jeschiwa, um dort zu lehren.
    »Ich habe nichts zu lehren«, antwortete er.
    »Du hättest was zu lehren, wenn du nicht so dick wärst«, behauptete sie. Verbittert und unerfüllt, näherte sie sich ihrem Ende, denn die Ehen ihrer drei Töchter waren nicht gut geraten. Am letzten Morgen ihres Lebens aber sagte sie mit schwacher Stimme: »Mann, ich hätte gern ein Gläschen Wein.« Und als Zaki neben ihrem Bett saß, vergaß sie für eine Weile ihre Feindseligkeit und flüsterte: »Wir hätten in Saloniki bleiben sollen. Aber ich gebe zu, Safed ist immer noch besser, als halbnackt durch die Straßen von Podi zu rennen. Es ist besser so. weil du nun einmal darauf bestanden hast, so dick zu sein.« Nach ihrem Tod war Zaki sehr betrübt. Ein halbes Jahr lang sah man ihn kaum.
    Gegen Ende des Jahres wurden Zakis traurige Gedanken über den Tod seiner Frau abgelenkt. Ein Flüchtling aus der Judengemeinde von Ancona, dem nördlich von Podi gelegenen
    Seehafen, traf in Safed ein und berief eine Zusammenkunft in die größte Synagoge ein, um vom Unheil in seiner Stadt zu berichten. »Lange Jahre hatten wir aus Spanien geflüchteten Juden glücklich und zufrieden in Ancona gelebt. Auf dem Boden Italiens waren uns bereits Enkel geboren. Ich hatte eine Weberei.« Er stockte, als gedächte er eines unerträglichen Kummers, und sagte dann leise: »Von den achtzehn, die in derselben Straße gewohnt haben, bin nur ich entkommen.«
    »Was ist geschehen?« fragte Rabbi Zaki.
    »Vier Päpste hatten unser Wohnrecht in Ancona bestätigt, obgleich wir auf der Flucht durch Portugal die Zwangstaufe erhalten hatten. Dieses Jahr aber kam ein neuer Papst. Er verkündete, die Kirche müsse die Judenfrage nun ein für allemal lösen. Wir glauben, daß sein Neffe die Verordnungen aufgesetzt hat; vom Papst aber sind sie erlassen worden.«
    »Unterscheiden sie sich sehr von den früheren?« fragte Zaki.
    Der Flüchtling wandte sich dem dicken Rabbi zu und betrachtete ihn aufmerksam. »Bist du nicht Zaki, der aus Podi geflohen ist?«
    »Ja.«
    »Die neuen Bestimmungen lauten anders. Erstens darf in keiner Stadt der Welt künftig mehr als eine Synagoge stehen. Wenn eine Stadt dennoch mehrere hat, werden die anderen niedergerissen. Zweitens: Jeder Jude auf der ganzen Welt, Mann wie Frau, muß einen grünen Hut tragen. Im Schlafen und im Wachen. Jederzeit dürfen Aufseher in die Häuser eindringen, um zu sehen, ob die Juden ihre grünen Hüte tragen. Drittens müssen alle Juden einer Stadt in einer einzigen Straße leben.«
    »Das haben wir in Deutschland bereits lange getan«, warf

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