Die Quelle
Akko, der dadurch berühmt geworden ist, daß er einen großen Teil der Stadt wiederaufgebaut hat.«
»Hat der Name Tabari nicht den gleichen Ursprung wie Tiberias?« fragte einer der Männer vom Columbia.
»Auf Türkisch bedeutet es das gleiche Wort«, erklärte Dschemail. »Und Sie haben sich entschlossen, in Israel zu bleiben?« forschte der New Yorker Professor weiter.
»Ja«, antwortete Tabari kurz. Er hatte an sich nichts dagegen, die Gründe dafür zu diskutieren; da diese jedoch Cullinane und Eliav hinreichend bekannt waren, wurde ihm selbst dieses Thema allmählich langweilig.
Der New Yorker betrachtete gedankenvoll die drei leitenden Archäologen der Ausgrabung von Makor und lenkte dann das Gespräch in eine ganz andere Richtung: »Finden Sie nicht auch, daß. Nun, ich meine, wenn einem fünfundfünfzig Millionen Araber, oder wie viele es sein mögen, so dicht auf den Fersen sitzen. Wissen Sie, ich habe die hetzerischen Aufrufe aus Kairo, Damaskus und Bagdad gelesen. Sie wollen sie tatsächlich ins Meer treiben? Und alle Juden umbringen? Wäre das nicht ziemlich hart für einen Araber wie Sie, Tabari?« Und plötzlich wurde es Cullinane klar: Dieser Durchschnittsprofessor wußte, daß alle Menschen, die in Israel lebten und arbeiteten, dies unter den Hammerschlägen der Geschichte taten und ständig von der Gefahr völliger Auslöschung bedroht waren. Wessen sich der Professor offenbar nicht bewußt wurde, war dies: daß er selbst in New York und sein Bruder in Washington genau so gefährdet waren.
Am folgenden Nachmittag begann jenes lange Gespräch, das kennzeichnend werden sollte für den Charakter des unter solchen Mühen geschaffenen Staates. Es fing so an: Ilana Hakohen und Isidor Gottesmann bekamen Quartier in einem kleinen Haus zugewiesen, das neben der historischen Schuhmacherwerkstatt des Märtyrers Rabbi Zaki stand. Die Juden von Safad hingen mit großer Liebe an dem Laden; traditionsgemäß wurde er einem Rabbi als Wohnung überlassen. 1948, als der jüdisch-arabische Konflikt sich seinem Höhepunkt näherte, wohnte hier der Rebbe von Wodsch.
Das jiddische Wort Rebbe bezeichnete ursprünglich einen Grundschullehrer, der den Judenkindern in den Dörfern Polens und Rußlands auf hebräisch Religionsunterricht erteilte; später wurde der Name jedoch nur für solche begnadeten Rabbinen gebraucht, die in der Tradition des Rabbi Abulafia von Safad wirkten: für die mystisch begnadeten, charismatischen geistigen Führer des osteuropäischen Chassidismus, für jene Zaddikim, deren Anhänger in unerschütterlicher Treue und Begeisterung zu ihnen standen. Ein Gespräch zweier Chassidim läßt dies erkennen: »Mein Rebbe kann mit seinen Auslegungen Berge versetzen.« - »Ja, aber mein Rebbe kann alle Arten Krankheit heilen.« Die Juden von Wodsch aber sagten: »Unser Rebbe versteht den Talmud besser als jeder andere Rebbe. Er ist der Brunnen, der Wasser spendet, ohne einen Tropfen zu verlieren.«
Schon in jungen Jahren hatte der Rebbe - damals lebte er noch in Wodsch - als ein in besonderem Maße für ein heiliges Leben Ausersehener gegolten. Unter den Juden Rußlands und Polens hieß es allgemein, endlich sei ein würdiger Nachfolger für den großen Rebbe von Wodsch gefunden worden, der als Glaubenszeuge bei den Pogromen von 1875 gestorben war. Durchdringend blaue Augen hatte der junge Rebbe - es war, als blicke er mit ihnen den sittlichen Problemen der Menschen bis auf den Grund. Bald kannte man ihn weithin unter dem Namen Itzik: kleiner Isaak. Mit vierundzwanzig Jahren schon verurteilte der kleine lsaak ohne Zögern den reichsten Juden von Wodsch für seinen Geiz, der den Lehren des Talmud widersprach, und nur seiner Tatkraft war es zu verdanken, daß der große Auszug seiner Getreuen nach Safad begann. Wie schwierig war es gewesen, jene siebzig Menschen zurückzubringen nach Erez Israel - aber dreißig Jahre später kamen die meisten der Juden, die nicht mit ihm gegangen waren, in den Gaskammern von Auschwitz um.
In den engen Gassen von Safad hatte Rebbe Itzik seinen Jüngern eine neue Heimat gegeben. Verlassene Häuser waren von ihnen wieder aufgebaut worden zu behaglichen Heimen, mit Hilfe von Spenden aus Amerika hatten sie eine der alten aschkenasischen Synagogen erworben - nicht die stattliche des Rabbi Jom Tow Gaddiel, wohl aber ein ihrer Zahl angemessenes Gotteshaus -, und während der folgenden Jahre war es ihnen auf ihre bescheidene Weise gutgegangen. Man nannte sie die Wodscher
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