Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
unverblümt. »Während des Krieges habe ich es manchmal geglaubt. Aber ich habe mir da nur etwas vorgemacht.«
    »Eigentlich merkwürdig«, meinte Tabari nachdenklich, »denn wir Araber, die wir in Oxford gewesen sind, haben uns stets für durch und durch englische Gentlemen gehalten. Selbst heute noch.«
    »Ihr habt auch später nicht gegen sie gekämpft«, sagte Eliav.
    »Stimmt. Wir haben auf ihrer Seite gekämpft, und entsprechend hat sich unsere Sympathie für sie verstärkt. Es gibt da noch etwas Merkwürdiges.« Er wollte etwas sagen, überlegte es sich aber und deutete auf Eliav. »Dein zweiter Punkt. Daß sie dich während des Krieges gut behandelt haben.«
    »Das haben sie auch«, sagte der Israeli. »Sie haben mir beigebracht, wie man im Partisaneneinsatz zu kämpfen hat, wie man eine Korporal schaft führt. alles. Während unseres Befreiungskrieges mußte ich den Engländern manch Unangenehmes antun, aber ich habe mir immer gesagt: >Tommy, old boy, du selbst hast’s mir beigebracht.< Und ich mußte feststellen, daß sie mir das Richtige beigebracht hatten.«
    »Sie empfinden keine Bitterkeit?« fragte Cullinane.
    »Nicht im geringsten«, sagte Eliav. Er nahm einen Zug aus seiner Pfeife und fuhr fort: »Und ich sage das vermutlich für die meisten Israelis.«
    »Einen Moment«, protestierte Cullinane. »Ich habe in einigen israelischen Büchern gelesen, welche Verachtung man für die proarabische Politik der Engländer empfand. Warum, glauben Sie, hat eine Gruppe von Juden in Tiberias den Lastwagen voll englischer Soldaten in die Luft gesprengt?«
    Eliav holte tief Atem, betrachtete seine Pfeife, die zwischen den Handflächen ruhte, und sagte: »Reden wir also ruhig über diesen Lastwagen. Man hat ihn hochgehen lassen, wie ihr euch erinnern werdet, als Vergeltung für die massiven Übergriffe der Engländer in Akko. Ich glaube, es wäre voreilig, daraus den Schluß ziehen zu wollen, daß der Lastwagen nur von Juden in die Luft gesprengt wurde, die die Engländer haßten. Die Männer, die daran beteiligt waren, haben England vielleicht sogar sehr hochgeschätzt.«
    Unter dem Klappern von Geschirr räumten die Kibbuzniks die Tische ab. Und dann griff Tabari das Thema wieder auf: »Du sagst, daß du sie während des Zweiten Weltkrieges ausgesprochen gern gehabt hast. Für einen Juden ist das eine seltsame Bemerkung.«
    »Ich habe damit gemeint, daß nach meiner Flucht aus Deutschland. als ich erst erfuhr, welch schreckliche Dinge sich abspielten.« Eliav stockte und fügte dann in nüchternem Ton hinzu, »Wir waren eine große Familie. Nur wenige sind am Leben geblieben.«
    Cullinanes Finger schlossen sich hart um seine Stuhllehnen. Er dachte: Früher oder später sieht man alles mit einem Schlag. Monate kenne ich Eliav nun schon, und jetzt erst erfahre ich, daß er fast seine ganze Familie verloren hat. Es kann passieren, daß man einer ungeschickten Kellnerin in einem Restaurant gründlich die Meinung sagt. Aber plötzlich sieht man dann auf ihrem Arm die tätowierte Nummer aus dem Lager Bergen-Belsen. Er nagte an seinen Lippen und schwieg. Tabari schien
    - vielleicht weil er in England erzogen worden war - von Eliavs Schlußbemerkung nicht so beeindruckt zu sein. »Jeder hat wohl eine traurige Geschichte zu erzählen. Was hat das mit unserer Diskussion zu tun?« Eliav wußte, wie die meisten Israelis, diese unpersönliche Reaktion zu schätzen und sagte: »Nur das eine. Während der schlimmsten Kriegszeiten, als ich hier in Palästina diente.«
    Tabari unterbrach ihn. »Du bist einer der wenigen mir bekannten Juden, die dieses Land >Palästina< nennen. Ich dachte, das ist verpönt.«
    Eliav lächelte. »Wenn ich als Mitglied der Britischen Armee spreche, verwende ich auch ihre Bezeichnung dafür. Als Israeli aber würde ich ziemlich ungehalten reagieren, wenn du meine Heimat >Palästina< nennen wolltest. Nun, davon abgesehen. Als ich hier diente. Rommels Afrikakorps rückte immer näher, während andere Deutsche versuchten, uns über Syrien zu erreichen.« Er machte eine Pause, zog an seiner Pfeife und sagte mit großer Zurückhaltung: »Wenn die Engländer nicht verzweifelt Widerstand geleistet hätten - man könnte ihn auch als heldenhaft bezeichnen -, wären wohl sechshunderttausend Juden in Palästina vergast worden.« Er lehnte sich zurück und setzte beiläufig hinzu: »Ich bete selten. Und wenn ich es tue, beziehe ich meistens Gott und Mose nicht ein. Aber ich habe öfter für Feldmarschall

Weitere Kostenlose Bücher