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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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einem Juden aus Tel Aviv, der wie ein Engländer gekleidet war und sich auch so gab, nur daß der Jude wahrscheinlich gebildeter war. Da gab es keinen solchen Unsinn wie diese Anrede Effendi und auch keine Kratzfüße. Der Jude wollte nur über juristische Fragen oder über Beethoven oder über die neueste Klatschgeschichte reden. Und hinzu kam noch eine Sache, die für den Engländer unverzeihlich war: Der Jude bestand darauf, als Gleichberechtigter behandelt zu werden.«
    Tabari lachte. »Aber wer kann es unter solchen Umständen dem Engländer der unteren Klassen verdenken, wenn er dem Araber den Vorzug gibt?«
    »Bei dem Engländer der gehobenen Schichten sah das Problem anders aus«, sagte Eliav. »Sie kamen von der Universität. Gewöhnlich sprachen sie Arabisch, aber nur selten Hebräisch. Und alle hatten die bekannten romantischen Wälzer gelesen, wie Engländer sie nun einmal über die Araber schreiben müssen. Doughty. habt ihr jemals einen seiner Tagträume gelesen? T. E. Lawrence, Gertrude Bell?«

Tabari sagte: »Ja, für uns Araber sind alle Engländer die besten Public-Relations-Leute der Welt gewesen. Erzähl ihm doch die Geschichte von den Fotos.« Und schon setzte sich der
    Araber in einer übertriebenen Pose hin, das Kinn in die rechte Hand gelegt und die Finger gespreizt wie ein Dichter. Mit der linken Hand warf er sich eine Serviette über den Kopf, so daß es aussah wie ein Burnus. Der Endeffekt war, alles in allem, ziemlich überwältigend.
    Eliav sagte: »Neulich haben Dschemail und ich etwa zwei Dutzend einschlägige Bücher noch einmal durchgesehen. Alle zeigten die Fotografie des englischen Autors in unverfälscht arabischem Aufzug. Gewänder, Turban, lange Gürtelenden.« Alle lachten, und Eliav schloß: »Einer der schlimmsten intellektuellen Streiche, die man England jemals gespielt hat, war das Foto von T. E. Lawrence in arabischer Kostümierung. Das verdammte Ding ist wahrhaft hypnotisierend.«
    »Es hat die englische Politik in diesem Land zum mindesten so beeinflußt wie das Öl«, meinte Tabari.
    »Wenn die Wahrheit jemals bekannt würde«, sagte Eliav, »möchte ich wetten, daß selbst der rundliche und rosige Ernie Bevin irgendwo ein Foto von sich in arabischem Gewand versteckt hält.«
    »Aber kannst du dir irgendeinen ehrenwerten Engländer vorstellen, der sich als Jude aus Palästina fotografieren lassen möchte?« Tabari erhob in komischem Entsetzen die Hände.
    Die Archäologen bogen sich bei dieser Vorstellung, als ein Kibbuznik angepoltert kam und knurrte: »Wollnse den ganzen Tag hier sitzen?«
    »Schon möglich«, sagte Cullinane trocken.
    Wenn er gehofft hatte, den Kibbuznik in Verlegenheit zu bringen, so täuschte er sich. »Wollt’s bloß wissen«, sagte der Kibbuznik und fegte krachend das Geschirr vom Tisch.
    »Ich möchte meine Tasse behalten, wenn es Ihnen recht ist«, protestierte Cullinane.
    »Keinen Zweck. Kaffee is alle.«
    Cullinane trommelte auf dem Tisch, um seinen Ärger zu besänftigen. Der Kibbuznik ging pfeifend davon.
    »Es gab damals noch etwas anderes«, begann Tabari zögernd. »Es erscheint in keinem offiziellen Bericht, aber in diesem Teil der Welt hat es eine ziemlich erhebliche Rolle gespielt.« Er lehnte sich zurück und fuhr dann fort: »Viele Engländer, die hierher kamen, hatten homosexuelle Erlebnisse gehabt. In der Schule, in der Armee. Und sie neigten dazu, den Araber der Wüste, der schon immer ähnlich veranlagt war, mit Faszination, wenn nicht gar mit tatsächlichem Verlangen zu betrachten. Wenn man aktiver Homosexueller war, was, frage ich euch, hätte wohl noch verführerischer sein können als ein Verhältnis mit einem Araber, der ein Bettuch trägt? Er und du, jeder auf seinem Kamel auf dem Wege zur Oase. Ein Sandsturm rast plötzlich über die Wüste, und es sind nur zwei Palmen da zu eurem Schutz. Eine für ihn, eine für dich. Blutsbrüderschaft, und was sonst noch. Ein paar ganz amüsante Sachen haben sich auf diesem Stückchen Erde zugetragen, das kann ich euch versichern.«
    »Ich hätte das Thema nicht angeschnitten«, sagte Eliav gedämpft, »aber da Dschemail damit angefangen hat, kann ich nur sagen, daß er es nicht im Scherz meint. Angenommen, Sie wären ein aktiver Homosexueller, John.«
    »Nichts dergleichen wird angenommen«, widersprach Cullinane. »Sie vergessen, daß es Vered war, die mich interessiert hat und nicht Dschemail. Ich bitte doch sehr, die Namen auseinanderzuhalten.«
    »Ich wollte nur sagen«, fuhr

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