Die Quelle
Sterbeurkunde. Amerikanischer Notar hier,
Rabbi Name hier. Und dies Geburtsurkunde von Jehiam Efrati. Auch gute jüdische Familie.«
»Na, dann ist doch alles in schönster Ordnung«, sagte Cullinane strahlend, nachdem er die verschiedenen Dokumente geprüft hatte. »Und dies«, sagte sie ergeben, »ist, was Rabbis in Jerusalem sagen.« Cullinane nahm das offensichtlich sehr amtliche Dokument und las die wichtigsten Abschnitte:
In der Angelegenheit der Zippora Zederbaum, Witwe, die den Junggesellen Jehiam Efrati zu heiraten beabsichtigt, haben die Richter in Erfahrung gebracht, daß ein Bruder des verstorbenen Ehemannes der besagten Zippora Zederbaum noch in Rumänien ansässig ist, und daß dieser überlebende Bruder, Levi Zederbaum, der Witwe seines Bruders die Genehmigung zur Wiederverheiratung versagt. Das Gesetz in diesem Fall ist, dem Fünften Buch Mose, 25, 5 bis 10, zufolge, eindeutig klar: »Wenn Brüder beieinander wohnen und einer stirbt ohne Kinder, so soll des Verstorbenen Weib nicht einen fremden Mann draußen nehmen; sondern ihr Schwager soll sich zu ihr tun und sie zum Weibe nehmen und sie ehelichen... Gefällt es aber dem Mann nicht, daß er seine Schwägerin nehme, so soll sie, seine Schwägerin, hinaufgehen unter das Tor vor die Ältesten und sagen: >Mein Schwager weigert sich, seinem Bruder einen Namen zu erwecken in Israel, und will mich nicht ehelichen.< So sollen ihn die Ältesten der Stadt fordern und mit ihm reden. Wenn er dann darauf besteht und spricht: >Es gefällt mir nicht, sie zu nehmen<, so soll seine Schwägerin zu ihm treten vor den Ältesten und ihm einen Schuh ausziehen von seinen Füßen und ihn anspeien und soll antworten und sprechen: >Also soll man tun einem jeden, der seines Bruders Haus nicht erbauet.<
Vor langer Zeit schon ist von den Rabbinen beschlossen worden, daß die Witwe eines Verstorbenen sich ohne die
Zustimmung des Bruders ihres verstorbenen Ehemannes nicht wiederverheiraten darf. Weiterhin ist beschlossen worden, daß diese Zustimmung schriftlich und von den zuständigen Rabbinen beglaubigt erfolgen muß. Zippora Zederbaum benötigt in ihrem Fall lediglich die schriftliche Genehmigung ihres Schwagers Levi Zederbaum in Rumänien. Erst dann stünde es ihr frei, wieder zu heiraten. Da sich jedoch ihr Schwager weigert, ihr diese Erlaubnis zu erteilen, ist sie nach dem Gesetz zu einer Wiederverheiratung nicht berechtigt. Ihr Antrag muß daher abschlägig beschieden werden.«
Cullinane blickte von dem erstaunlichen Dokument auf. Zuerst dachte er: Sie erlaubt sich einen Spaß mit mir. Einen mittelalterlichen Spaß. Doch dann merkte er, daß es ernst war, »Was bedeutet das?« fragte er.
»Das, was da steht.« Jetzt war sie erbost. Die Zeit der Tränen war vorbei. »In Israel muß eine Witwe die schriftliche Genehmigung des Bruders ihres verstorbenen Ehemannes vorweisen.«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Ist Gesetz. Familie von Ehemann hat noch Interesse an Frau von gestorbene Mann.«
»Heißt das, daß sich Ihr Schwager in Rumänien erbietet, Sie zu unterstützen?«
»Unterstützen?« wiederholte sie verächtlich. »Keiner von Zederbaums hat jemals geholfen andere.«
»Warum unterschreibt er dann nicht die Verzichturkunde. und läßt Sie wieder heiraten?«
Die kräftige junge Frau reichte Cullinane die Übersetzung eines Briefes und lehnte sich zornig in ihren Stuhl zurück, während er las:
Brasov, Rumänien, 3. September 1964 An die Herren Rabbiner von Jerusalem, dem unglaublichen Dokument, das mich gestern erreichte, entnehme ich, daß meine Schwägerin Zippora Zederbaum, deren Ehemann verstorben ist, sich nicht wiederverheiraten darf, wenn ich nicht eine Erklärung unterzeichne, die besagt, daß ich nicht beabsichtige, sie zu heiraten, und daß es ihr freisteht, jemand anderen zu ehelichen.
Außerdem habe ich davon Kenntnis genommen, daß, wenn ich in Jerusalem wäre und meine Schwägerin von meiner Weigerung, sie zu heiraten, erfahren hätte, sie verpflichtet wäre, mir den Schuh auszuziehen und mir ins Gesicht zu speien. Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert. Wenn ich an derart mittelalterlichen Bräuchen in irgendeiner Weise teilnehmen würde, hätten die Behörden in Rumänien wahrlich allen Grund, mich für einen Narren zu halten. Ich denke nicht daran, einen solchen Unsinn zu unterschreiben, und kann Ihnen nur raten, diese Angelegenheit zu vergessen.
Voller Empörung L evi Z ederbaum
Cullinane faltete den Brief zusammen und dachte: So ähnlich hätte
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