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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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blieb, ihm all die Kniffe zu zeigen, wie man beim Kampf mit dem Eber den Hauern ausweicht, konnte er ihn wohl eines Tages übertreffen. »Er ist ein großer Jäger«, erzählte Ur stolz den Männern am Feuer. »Ich glaube, er ist besser als mein Vater.« Die jungen Männer nickten dazu, aber die alten sagten nichts, denn sie konnten sich noch an Urs Vater erinnern.
    Wie es aber oft geschieht, wenn die Jahreszeiten es zu gut mit den Menschen meinen und die Sonne zu freundlich scheint, so geschah es auch jetzt: Die Kräfte in der Welt ringsum schlugen zu, als wollten sie die Menschen erinnern, daß ihnen Höhle und Quelle und Wadi nicht allein gehörten. Aus heiterem Himmel - die Kinder spielten gerade friedlich in der Sonne -schlug der Blitz im Wadi ein und setzte das Getreide in Brand. Mit vereinten Kräften konnten die Höhlenmenschen das Feuer eindämmen, aber die halbe Ernte war verbrannt, und plötzlich war statt des gewohnten Überflusses nur noch knapp genug für jeden da. Ur und die Seinen begannen sich Gedanken zu machen, was den Blitz dazu veranlaßt haben mochte, im Wadi einzuschlagen. Welche Gründe auch immer Ur vorbrachte, seine Frau war davon überzeugt, daß das Wachsen der Familie, das Nichtbeachten der Kräfte ringsum und ihrer Rechte ihnen diese Strafe eingebracht hätten. »Der Jäger hat den Hund getötet«, sagte sie, »und wir haben uns gefreut, daß das erste Kind ein Knabe war. Aber wir haben dem Wasser im Wadi keinen Weizen gegeben.« Immer weiter redete sie, erinnerte an viele Taten des Übermuts und kam zu dem Schluß, daß die Kräfte, mit denen die Menschen sich das Wadi teilten, zu Recht erzürnt seien. Man müsse ihnen ein Zeichen der Versöhnung errichten, damit die Kräfte wußten, daß weder Urs Weib noch ihr Mann jemals wieder die Absicht hätten, ihnen etwas von ihren Rechten zu nehmen. Ihr Sohn pflichtete ihr bei, Ur jedoch sagte, er wisse nicht, was das solle.
    Urs Weib aber wollte dies: »Wenn wir an der höchsten Stelle des Felsens einen großen Stein aufstellen, werden Donner und Blitz, Wind und Eber sehen, daß wir ihnen gut sind.« Ur fragte, wie die das denn sehen könnten, aber sein Sohn versicherte ihm: »Sie werden es sehen.« Also gingen alle Männer der Höhle mit Urs Sohn zu einer Stelle im Wadi und brachen dort mit Feuersteinschneiden und Keilen und mit schweren Steinen, die sie als Hämmer benutzten, einen Monolithen, viel größer als ein Mann und an einem Ende abgerundet. Sie stießen und schoben ihn zum höchsten Punkt des Felsens, wo sie ihn nach zwei Monaten schweißtreibender Arbeit mit Hilfe einer Rampe aus aufgeworfener Erde in einer Grube aufrichteten, die der Junge in den harten Boden gehackt hatte; mit Steinen, die sie am Rand der Grube zwischen Felsgrund und Monolith steckten, sicherten sie ihn. Aufrecht stand er nun da als etwas Namenloses, das ihnen jedoch großen Trost spendete als der Mittler zwischen dem Gewitter und ihnen. In der dritten Nacht nach der Errichtung des Monolithen als des Wächters der Quelle kam ein Eber, Sinnbild unversöhnlichen Hasses, aus dem Wadi und zerwühlte ein gutes Drittel der unverbrannten Weizenfelder. Als der Morgen dämmerte und die Höhlenmenschen angesichts der Verwüstung merkten, wieviel sie verloren hatten -Haubenlerchen hielten bereits an den Körnern ihr Festmahl -, gerieten sie in panische Angst und wollten den Monolithen umstoßen. Aber Urs Weib und Urs Sohn hielten sie davon ab: »Wenn sie über uns kommen, obwohl sie unser Zeichen sehen, was hätten sie ohne das Zeichen getan?« Ur und sein Schwiegersohn machten es sich einfacher: Der Eber hatte ihre Felder verwüstet, also packten sie ihre Speere und brachen auf, ihn zu jagen. Von dieser Jagd haben die Menschen an der Quelle sich noch lange danach erzählt.
    In der Morgendämmerung gingen die beiden hinunter zum Sumpfwald, aus dem der Eber gekommen war. Zwischen Wasserstellen, umflattert von Vögeln, suchten sie so lange, bis sie seine Fährte fanden, die tief hineinführte in Stellen voll stechender Insekten. Einen ganzen Tag wateten sie bis zum Knie im grünlich schillernden Wasser; nachts schliefen sie, umschwirrt von sirrenden Mücken. Sie konnten den großen Eber hören, wußten, daß er nun Angst bekommen hatte. Am Morgen setzten sie ihm nach. Er führte sie weit fort vom Sumpf, über lichte Wildwechsel zwischen Eichen und Nadelhölzern. Kein Ende wollte die Jagd nehmen. Er rannte Berge hinauf, wo es Höhlen gab. Schwerer ging sein Atem, aber die

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