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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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hilfesuchend an sie wenden konnte, bedeutete für Urbaal gerade jetzt eine große Beruhigung, denn um Libamah zu gewinnen, brauchte er ihren Beistand - den des Gottes der Ölpresse beispielsweise, der das wunderbare Öl zu schaffen vermochte, gut mit Brot zu essen, gut, um damit zu kochen, um es warm auf die Glieder oder kühl auf den Kopf zu reiben, um nachts in Tonlampen zu brennen und dienlich zum Salben der Götter. Nur ein Gott konnte so etwas hervorbringen, und deshalb war es selbstverständlich, daß man ihn dafür verehrte. Dieses Vertrauen gab eine innere Sicherheit, welche die Menschen späterer Zeitalter nicht mehr kannten. Die Götter waren unmittelbar ansprechbar - und sie ließen mit sich handeln. Sie waren Freunde auf Lebenszeit. Wurden sie einmal ungnädig, so nur, weil man Unrecht begangen hatte, das man wiedergutmachen konnte.
    »Leg mir die Lasten auf, Großer El, auf daß die Götter frei seien.
    Laß mich den Rücken runden, auf daß der ihre gerade sei.«
    So sang Urbaal, wenn er, an seiner Presse schwitzend, den letzten Tropfen Öl aus den Oliven zu quetschen versuchte.
    Die Priester sahen mit Vergnügen, wie fleißig die freien Bauern waren - sie konnten zufrieden sein über die List, die ihren Vorgängern schon Tausende von Jahren zuvor eingefallen war: Dadurch, daß der Tempel den Landbesitzern etwas sehr Begehrenswertes bot, das nur durch härteste Arbeit zu erringen war, vermochten die Priester sich zu errechnen, was sich aus ihren Sklaven an Leistung herausholen ließ. Aber auch dabei erwiesen sie sich als schlau. Sie hielten ihren Sklaven Männer wie Urbaal und Amalek als Beispiel vor, wußten aber sehr wohl, daß sie deren Arbeitsleistung nie erzwingen konnten, ja, sie versuchten es nicht einmal. Denn einerseits gehörte den Tempelsklaven der Boden nicht, auf dem sie arbeiteten, und zum anderen gab es für sie nicht die so starke Verlockung einer lebenden Göttin wie Libamah. Aber wenn die Priester den schwitzenden Urbaal sahen, so stellten sie doch mit Befriedigung fest, was ein Mensch auszurichten vermag, wenn man ihn nur richtig anstachelt. Und war es nicht erfreulich, wie sein Beispiel alle anfeuerte, selbst wenn nur wenige es ihm gleichtun konnten? Diese Hochsommertage, in denen die Entscheidung über den Wert der Ernte in Makor fiel, waren die Zeit, in der Timna gründlich über ihr Leben nachdachte. Sie war nun vierundzwanzig Jahre alt; als Fremde nach Makor gekommen, konnte sie manche der hier herrschenden Sitten nicht begreifen, sie hatte allerdings auch nie gemeint, daß es ihr in ihrer Heimatstadt Akka sehr viel besser gegangen wäre. Zwar hätte in Akka der Gott Melak ihren Erstgeborenen nicht in seine glühenden Arme gerissen, aber andere Götter hätten anderen Tribut gefordert. So gab es für sie keinen Zweifel daran, daß, im ganzen genommen, das Dasein in Makor nicht schlechter und nicht besser war als in den anderen benachbarten Städten. Von Zeit zu Zeit jedoch hörte sie von Händlern Gerüchte, daß in fernen Ländern, in Ägypten und im Land der Zwei Ströme, die Menschen ganz anders lebten. Und dann war ihr dieser ägyptische Heerführer begegnet. Drei Tage war er beim König von Makor zu Gast. Es hieß, er sei gegen jedermann mißtrauisch. Aber er war doch wohl ein Mann, der weit über die engen Mauern einer einzigen Stadt riesige Gebiete überblickte. Und gerade er hatte, als er an Urbaals Haus vorbeikam, aus einfacher Neugier angehalten, um es sich anzusehen und durch seinen Dolmetscher eine Reihe kluger Fragen gestellt. Aus diesem Erlebnis war Timna zum erstenmal die Einsicht gekommen, daß außerhalb Makors eine neue Welt begann und außerhalb dieser eine weitere. Was galt wohl, so fragte sie sich, der grausame Melak in diesen Welten? Konnte der halbbegrabene El auch dort herrschen? Wenn sie sah, wie ihr Mann mit den Baalim seiner Ländereien sprach - mit dem Baal des Olivenhains, der Ölpresse, der Ölgruben, der Ölkrüge, der Straße, der Bienenkörbe, des Weizens, der Gerste -: lag es nicht nahe, daß sie alle doch recht schwächliche Götter seien, Götter, fast wie Menschen, allenfalls mit ein wenig mehr Macht? Ob es da wirklich viel ausmachte, wenn so ein Gott verschwand oder verlorenging?
    Dann kam der Tag, an dem Timna wußte, daß sie wieder schwanger war. Sie freute sich darüber: Für den Sohn, den sie hatte opfern müssen, sollte sie nun einen anderen bekommen. Doch als sie in den Raum der Götter ging, um der neuen Astarte Dank zu sagen, als sie

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