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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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den verführerischen Körper und das verlockende Lächeln sah, kam ihr ein sehr ernster Widerspruch zu Bewußtsein: Ihre Schwangerschaft war mit der Ankunft der Göttin zusammengefallen, und vielleicht war Astarte unmittelbar verantwortlich dafür. Andererseits aber: Gab es wirklich einen Grund anzunehmen, daß Astarte in ihrem Bereich auch nur im geringsten mächtiger sei als die von ihrem Mann verehrten armseligen kleinen Baalim in den ihren? Eine bestürzende Frage. Noch einmal unterdrückte sie diese Zweifel. Das war, als sie ihrem Mann von ihrer
    Schwangerschaft berichtete. Urbaal war glücklich, trug sie in den Raum der Götter, legte sie sacht aufs Bett und rief: »Ich wußte ja, daß Astarte uns Kinder schenken wird.« Da stimmte sie ihm bei: »Astarte hat es getan.«
    Kaum aber hatte sie dies gesagt, als sie auch schon erkannte: Dieser einfältige Mann freut sich, daß ich schwanger bin, aber er freut sich nicht meinetwegen. Und nicht meines künftigen Sohnes wegen. Sondern nur, weil das die Macht seiner neuen Astarte beweist. Er glaubt, sie werde ihm auch das Recht verschaffen, bei Libamah zu liegen. Und eine Verachtung, die sie von nun an nie mehr ersticken konnte, stieg in ihr auf.
    Als der Erntemonat näherkam, wurde deutlich, wie sehr Astarte nicht allein Urbaal und sein Weib gesegnet hatte, sondern die gesamte Stadt. Die Hirten berichteten, daß ihre Herden gewachsen seien wie noch nie. Die Weber türmten die Tuchballen auf ihre Bretter. Weizen gab es in Hülle und Fülle. Urbaal hatte so reiche Erträge, daß er bereits jetzt Öl und Honig an Eselskarawanen aus Akka liefern konnte, wo Schiffe aus Ägypten und Tyros anlegten, um den Überschuß aufzunehmen. Die Bedrohung durch den Feind aus Norden war geringer geworden, wie Gott Melak es vorhergesagt hatte. Großmütig und milde waren die Götter gewesen.
    In Makor feierte man schon damals ein Fest, das später von vielen Völkern begangen werden sollte: das Dankfest für ein fruchtbares Jahr. Als die Ernte beendet war, erklang allenthalben Musik, und alle Menschen bereiteten sich auf die Feiern vor. Die Männer, die einige Aussicht hatten, Libamah zu gewinnen, wurden unruhig. Denn jetzt kamen die Priester und sahen sich an, was das Jahr an Erträgen gebracht hatte. Mit Bestürzung vernahm Urbaal, daß in Amaleks Rinderherden wahre Wunder geschehen waren. Urbaal zeigte sich entsprechend reizbar, aber Timna, zufrieden, daß sie schwanger war, behandelte ihn mit freundlicher Nachsicht.

Wie lächerlich das war: Ein Mann, der zwei Frauen besaß und genug Sklavinnen dazu, war völlig von Sinnen, weil er dieses Mädchen Libamah für kurze Zeit besitzen wollte. Dabei wußte man doch, wie es kommen wird: Ein paar Monate dient sie den Priestern dazu, die Männer zu betören; bald schon wird man sie, zusammen mit zwei, drei anderen, am Schluß kleinerer Feste diesem oder jenem zuweisen; immer tiefer wird sie sinken, eine gewöhnliche Dirne werden, alt und verbraucht, und nur noch Sklaven wird man ihr zuführen, weil man hofft, daß ihr Schoß vielleicht noch ein oder zwei Kinder bringt. Timna grollte Libamah keineswegs; das Mädchen war hübsch, und Timna konnte verstehen, daß ein Mann es begehrte. Doch daß Urbaal die Sache so ernst nahm, war widerwärtig. Zudem ahnte die kluge Frau, welch andere Befürchtung ihren Mann quälen mußte: auserwählt zu werden für die feierliche Handlung, die der Stadt die Fruchtbarkeit gewährleisten sollte, und dann zu versagen. In einem früheren Jahr war der erwählte Mann so aufgeregt und ängstlich gewesen, daß er ein jämmerliches Schauspiel geboten und das ganze Ritual durcheinandergebracht hatte - zu Schmach und Schande der Stadt Makor und zur Empörung der Göttin, die deshalb die nächste Ernte nur dürftig ausfallen ließ. Eines Abends, als Timna grübelnd im Hof saß, hörte sie ihren Mann zu Astarte beten, daß er gewählt werden möge. Und dann noch einmal: daß er, wenn die Wahl auf ihn gefallen sei, sich der Aufgabe gewachsen zeigen könne.
    An all das hatten auch die Priester gedacht. Amalek und Urbaal waren beide starke Männer, und beide hatten sie ihre Kraft durch zahlreiche Kinder bewiesen. Die Tatsache, daß Timna wieder schwanger war, sprach für Urbaal. Aber die ungewöhnliche Fruchtbarkeit bei Amaleks Vieh war ebenfalls beeindruckend. So schwankten die Priester noch, wen sie wählen sollten.
    Das Erntedankfest begann mit einem drei Tage währenden Festmahl, das die Tempelpriester ausrichteten. Sie

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