Die Quelle
räusperte sich, und Kemper drehte den Kopf zu ihm. In seinem bleichen Gesicht war die Anspannung der letzten Tage deutlich zu lesen. Scharfe Linien hatten sich um den Mund eingegraben, und er wirkte schmaler.
Dennoch funkelten seine Augen frech und triumphal.
»Na, Hagen. Glauben Sie mir jetzt endlich, was ich Ihnen über meine Erfindung gesagt habe? Habe ich jetzt Ihre volle Unterstützung?«
»Was glauben Sie, was das hier ist?«, erwiderte Hagen. »Und ich will Sie auch nicht in Ihrer Euphorie bremsen. Aber eins sollten Sie schon wissen. Der andere Entführer, der die Frau in seiner Gewalt hat, ist dabei, Sie und uns auszubremsen.«
Kemper schwieg erstaunt und sah mit düsterem Blick an Hagen vorbei zu Berger, der neben die offene Wagentür trat.
»Das ist Berger«, sagte Hagen. »Er ist ein ganz besonderer Beauftragter der Regierung.«
»Sie meinen, er passt auf Sie auf«, erwiderte Kemper.
»Auf Sie auch!« Berger zündete sich eine Zigarette in der hohlen Hand an. »Und auf die Unterlagen. Damit Sie und wir an Ihrer Erfindung noch viel Freude haben, kommen Sie jetzt mal schnell von Ihrem Baum runter. Und hören ganz genau zu. Der andere Entführer ist dicht dran, sich Ihre Unterlagen zu schnappen. Sie wissen, was das bedeutet.«
Mit einem Mal war Kempers Selbstvertrauen verschwunden. Hagen sah die flatternden Lider und genoss es, wie Bergers Worte den jungen Wissenschaftler verunsicherten.
Es dauerte aber nicht einmal eine Minute, dann hatte sich Kemper wieder im Griff und sich mit der neuen Situation arrangiert.
Er räusperte sich, dann begann er zu reden.
Kapitel 47
CHÂTEAUNEUF-DU-PAPE
»Was bleibt jetzt noch?«, fragte Benn matt. Das Auf und Ab seiner Gefühlswelt, die Mischung aus Nackenschlägen und Momenten euphorischer Hoffnung hatte ihn erschöpft.
Er war nicht in der Lage, die Forderung des Entführers zu erfüllen. Über die Konsequenzen wollte er gar nicht nachdenken. Es kam ihm so vor, als schütze er sich damit, um überhaupt weiter durchhalten zu können, so leer und ausgelaugt fühlte er sich nach dem Anruf.
»Ich werde suchen«, sagte Johanna Grothe. Sie stand entschlossen auf und ging in den Anbau.
Warum will sie suchen?, wunderte sich Benn. Wenn ihr Enkel nicht mehr in den Händen des Entführers war, wie Johanna Grothe annahm, dann spielten die Unterlagen für seine Befreiung auch keine Rolle mehr. Doch ihre Entschiedenheit trieb einen Stachel in die Blase seiner Niedergeschlagenheit. Irgendetwas zu tun war besser als Nichtstun. Zusammen mit der Kommissarin betrat er den Anbau, wo die Chemikerin bereits in den verstreuten Unterlagen wühlte.
Wie soll man hier etwas finden?, dachte Benn, und seine Blicke glitten über das Chaos aus wissenschaftlichen Fachartikeln, Zeitungsausschnitten und Aktenordnern. »Können wir helfen?«
»Wenn Sie wissen, wonach Sie suchen müssen - ja. Wissen Sie, wonach Sie suchen müssen?«
Benn beugte sich, hob einen der Artikel auf und starrte auf die Überschrift. »Es muss mit Kernfusion zu tun haben. Darum dreht es sich doch immer wieder. So viel habe ich verstanden. Und auch hier scheint sich alles darum zu drehen. Liegt das in der Familie?«
Johanna Grothe stapfte durch die Papierberge, suchte an den verschiedensten Stellen. Gelegentlich stöhnte sie ohnmächtig.
»Haben Sie schon einmal etwas von der Kalten Fusion gehört?«
»Nein«, sagte Benn.
»Ich schon.«
»Sie?« Johanna Grothe sah Ela Stein verwundert an. »Sie sind doch Polizistin. Was wissen Sie über die Kalte Fusion?«
»Sie vergessen, dass ich beim Bundeskriminalamt wissenschaftliche Institute in Fragen des Geheimschutzes betreue. Unter anderem auch das in Greifswald. Dort gibt es einen Wissenschaftler, so weiß ich das aus meinem ersten Gespräch dort, der die Experimente hierzu weltweit beobachtet.«
»Tatsächlich?«
Benn wunderte sich über den Spott, mit dem Johanna Grothe fragte.
»Ja. Aber es schien mir, als würde das Thema von dem Wissenschaftler nicht sehr ernst genommen.«
»Das beruhigt mich. Sonst hätte ich noch mehr an dieser Welt zweifeln müssen.«
»Ich kann nicht folgen«, sagte Benn. »Man hat mir erklärt, dass die Kernfusion die Energiequelle der Zukunft ist. Hier in Frankreich wird ein Fusionsreaktor gebaut, der vielleicht mehr Energie liefern soll, als die Menge, die man hineinsteckt, um die Verschmelzung von Atomen umzusetzen. Und die Strahlung soll viel geringer sein, als bei der Atomspaltung, wie sie heute in Kernkraftwerken
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