Die Quelle
Gamma-Strahlung geben?«
»Bei einer Wasserstoffbombe wird die Kernfusion durch eine kleine Atombombe ausgelöst«, antwortete Johanna Grothe. »Man benutzt die Kernspaltung, um die Kernfusion in Gang zu bringen. So entsteht dort das giftigste aller Gifte, die Gamma-Strahlung.«
»Ich verstehe Sie richtig, ja?« Benn fasste sich an den Kopf. »Damals hat man mit dem Argument, bei der Kernfusion müsse Gamma-Strahlung freigesetzt werden, die Befürworter der Kalten Fusion ausgeknockt. Und heute sagt man, bei der Kernfusion, wie sie in Caderache erprobt werden soll, entsteht keine Gamma-Strahlung.«
»So ist es.«
»Aber dann sind die Chancen für die Befürworter der Kalten Fusion doch deutlich gestiegen.«
»Es gibt noch andere Vorbehalte. Die Kritiker meinen, die theoretische physikalische Erklärung fehle, wie bei der Kalten Fusion die gleichgeladenen Teilchen ihre gegenseitigen Abstoßungswiderstände überwinden.«
»Das ist nicht wahr, oder?« Benn lachte ungläubig. »Bei manchen Medikamenten kann doch auch nicht erklärt werden, warum sie so wirken, wie sie wirken. Das ist doch kein Grund, sie nicht zuzulassen, wenn sie helfen.«
»Sie sagen es. Übrigens gibt es ja auch eine Erklärung, wie es funktioniert. Nur wird sie von den Widersachern nicht akzeptiert. Und die sind so mächtig, dass nur ein paar wissenschaftliche Outlaws weiterforschen. Wie unsicher alle sind, erkennt man daran, dass die US-Regierung die universitären Forschungen zur Kalten Fusion mal ablehnt, dann wieder mit kleinen Budgets unterstützt. Ein Hin und Her bis heute.«
»Verrückt. Warum das ganze Durcheinander?«
»Es kommt noch besser. Das Naval Weapon Center der US-Marine hat kurz nach dem besagten Untersuchungsbericht des US-Energieministeriums von anomaler Überschusswärme in ihren Experimenten zur Kalten Fusion berichtet. Und sie forschen heute immer noch daran, veröffentlichen sogar immer wieder positive Ergebnisse.«
»Warum tun die das, wenn das Thema tot ist?« Benn war plötzlich furchtbar kalt. Die Frage war so einfach zu beantworten. Energie war die Waffe. Durfte solch eine Erfindung in private Hände fallen oder in den Besitz der Feinde, wenn man damit der Welt seinen Willen aufzwingen konnte? »Sie glauben, Ihr Enkel hat die Lösung für die Kalte Fusion gefunden?«
»Ja, das meine ich. Er hat der Leiche Leben eingehaucht.«
Kapitel 48
CHÂTEAUNEUF-DU-PAPE
Rufe im Hof unterbrachen ihre Suche.
Johanna Grothe horchte auf, schien aber nicht weiter überrascht, murmelte einen Namen und trat hinaus.
»Ich will auch wissen, was los ist.« Benn folgte der Chemikerin in die Mittagssonne.
»Und hier darf niemand rein«, sagte Ela Stein und warf dabei einen kurzen Blick auf die beiden Toten.
In der Mitte des Innenhofes stand ein wuschelhaariger Junge, den Benn auf vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre schätzte. Johanna Grothe hörte dem Jungen zu, der aufgeregt gestikulierte.
Schließlich nickte die Chemikerin. Der Junge warf einen unsicheren Blick zu Benn und der Kommissarin, dann lief er wieder in Richtung des Schuppens und des dahinterliegenden Gartens.
»Wer war das?«, fragte Benn, der die Antwort aufgrund der ähnlichen Gesichtszüge bereits zu kennen glaubte.
»Philippe Rasquin. Der Sohn des Winzers. Die Polizei ist inzwischen auf dem Weingut«, sagte Johanna Grothe, als sie sich zu Benn und der Kommissarin drehte. »Im Moment wird versucht, den beiden Kerlen Informationen zu entlocken.«
»Und der Junge soll uns jetzt holen?«
»Nein, der hat mir nur einen Gefallen tun wollen. Er hat heute Nacht natürlich einiges mitbekommen. Philippe und ich sind Freunde. Ich bin so etwas wie eine Ersatzgroßmutter für ihn. Und er interessiert sich sehr für meine Arbeit.«
Johanna Grothe trat wieder in den Anbau. »Naja, verdenken kann man es ihm nicht, dass er jemanden losgeschickt und nicht gewartet hat.«
»Natürlich nicht«, sagte Benn bissig. »Als angesehener Bürger in solch eine Situation zu geraten ist ja auch unangenehm. Aber dafür hat man doch dann seine Netzwerke. Golfclub oder Ähnliches. Kennt man da nicht den Polizeipräsidenten, den er hätte ansprechen können? Um uns zu helfen.«
»Sie sind verbiestert. Er hat sich seinen Status ehrlich erarbeitet. Genau wie sein Geld, sein Flugzeug, seine anerkannte Stellung im Aeroclub und - ja, seine allgemeine Anerkennung in der Gesellschaft hier in der Region. Und gerade deshalb wird er sich nicht die kleinste Unregelmäßigkeit
Weitere Kostenlose Bücher