Die Quelle
Mann ist im Blutrausch. Wenn Jean auch tot ist, hat er in den letzten Stunden bereits vier Menschen kaltblütig umgebracht«, sagte Benn und packte mit der linken Hand sein rechtes Handgelenk, um es beim Schuss zu stützen.
Er legte den Kopf leicht schräg, zielte über den ausgestreckten Arm. Über den Lauf der Waffe sah Benn auf den Fremden, der die Vorbereitungen bisher scheinbar ungerührt beobachtet hatte. Doch nun zerrte er den Jungen auf die Beine und stellte sich hinter ihn.
»Hören Sie auf! Wir bekommen doch gleich Hilfe!«, rief Rasquin verzweifelt, als er sah, wie der Fremde seinen Sohn als Schutzschild benutzte.
Benn hob überrascht den Kopf.
»Ich habe den Tower informiert, als Sie den Jet verlassen haben. Da ist doch genug Militär.«
Benn ließ verblüfft die Waffe sinken und blickte in Richtung der weit entfernten Hangars, an denen die Militärmaschinen beladen wurden. Er sah noch kein Fahrzeug, das sich von dort näherte.
»Kommen Sie mit dem Rucksack her!«, rief der Unbekannte plötzlich unruhig. »Sonst stirbt der Junge!«
»Tun Sie es nicht!«, rief Benn, aber Rasquin war nicht aufzuhalten. Der Winzer marschierte auf den Unbekannten zu. Benn sah unsicher zu Ela Stein, die immer noch regungslos auf dem Betonboden lag.
Sein Blick erfasste wieder den Winzer. Er musste schießen. Jetzt. Wenn er schießen wollte, dann jetzt. Aber der Junge stand vor dem Fremden.
Rasquins Rücken war plötzlich in seiner Visierlinie.
»Zur Seite!«, schrie Benn.
Vorbei. Zu spät. Benns ausgestreckte Arme mit der Waffe sanken nach unten. Der Winzer warf den Rucksack vor die Füße seines Sohnes und hob die Hände.
Benn starrte beschämt nach unten, starrte auf die Pistole in seiner Hand. Nutzlos, eine leere Drohung - wenn man nicht schoss. Erst ein entsetzter Schrei Rasquins löste seine Beklemmung.
Der Winzer kniete auf dem Beton zu Füßen seines Sohnes und hatte den Rucksack geöffnet, um dem Fremden Kempers Unterlagen zu zeigen. Doch statt der Unterlagen zog er irgendwelche Zeitschriften heraus.
Mitten in sein Geschrei hinein krachte der Schuss. Dann noch einer.
Benn sprang los. Philippe Rasquin stürzte auf seinen Vater, während der Fremde mit dem Oberkörper nach hinten auf den Kofferraum fiel. Rechts von Benn sprang Ela Stein nach ihrem Schuss auf.
Benn wartete auf den Angriff. Doch der Körper auf der Kofferraumhaube rührte sich nicht. Benn sah in ein starres Gesicht. Helles Blut sickerte am Ohr nach unten. Der Schuss der Kommissarin hatte den oberen Teil des linken Ohres zerfetzt, bevor die Kugel in den Kopf eingedrungen war.
Neben Benn wälzten sich Daniel und Philippe Rasquin auf dem Beton. Der Winzer schrie immer wieder den Namen seines Sohnes. Philippe lag apathisch auf seinem Vater, der den Körper seines Sohnes umklammerte.
»Es ist nur ein Streifschuss! Nur ein Streifschuss!«, rief die Kommissarin, die heraneilte und die Wunde am Kopf von Philippe Rasquin abtastete. Er blutete oberhalb des rechten Ohres.
»Der Kerl hat einfach noch abgedrückt.« Die Kommissarin zog den benommenen Jungen, der undeutlich über Kopfschmerzen klagte, aus den Armen seines Vaters. »Es ist gut gegangen!«, rief sie dabei immer wieder, bis Daniel Rasquin aufsprang.
In den Augen des Winzers tanzten Funken des Wahnsinns. Er stellte sich vor Benn und drosch los. Benn wurde von dem Kinnhaken schwarz vor Augen. Er sackte zu Boden, blieb halb betäubt liegen.
»Spinnen Sie?«, hörte er die wattierte Stimme der Kommissarin.
»Er hat die Unterlagen gegen Zeitschriften ausgetauscht!«
Benns verschwommener Blick wurde wieder klarer. Er sah Risse im Beton und kleinste Unebenheiten.
»Das war nicht er.« Die Stimme der Kommissarin klang wieder klarer. »Das war ich, als Sie den Tower gerufen haben!«
»Los. Wir müssen hier weg!« Ela Stein half Benn auf, der nur mühsam auf die Beine kam und unsicher schwankte.
»Einen Moment noch.« Benn kämpfte gegen den Rest der Schwärze in seinem Kopf.
»Wir haben keine Zeit. Rasquin hat beim Tower einen Notruf abgesetzt. Wenn die Soldaten schicken, kommen wir hier nicht mehr weg. Wir können froh sein, dass Notstand herrscht und noch kein Kommando hier ist.«
Benn kämpfte immer noch mit seinen weichen Knien, während Ela Stein den regungslos daliegenden Jean und dann die beiden Wachleute untersuchte. »Alle tot!«
»Los, wir haben noch etwas vor.« Endlich war die Schwärze in Benns Kopf verschwunden.
»Sie vielleicht, ich aber nicht.« Daniel Rasquin
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