Die Quelle
folge den Anweisungen und hielt einige Schritte hinter dem Kofferraum an.
Schlank, nicht übermäßig kräftig, dachte Benn. Ruhig. Selbstsicher. Überlegen. Und er war zu weit weg, um einfach so angreifen zu können.
»Sollte im Flugzeug irgendjemand auf dumme Gedanken kommen, nehme ich Sie und den da mit.« Der Fremde deutete mit einer Kopfbewegung auf den Kofferraum.
»Wer ist das?«
»Sie ahnen es nicht?«
Benn schüttelte den Kopf.
»Wie haben Sie mich gefunden? Hat Timo Moritz doch geredet?«
Über das Gesicht des Unbekannten huschte ein mitleidiges Lächeln. »Ihre Telefonate. Abgehört. Und hier ...« Er zog ein kleines Gerät mit Display mit der linken Hand aus seiner Jackentasche. »Sie tragen den Sender hinten an Ihrer Jacke.«
Mit der linken Hand fuhr sich Benn am Rücken über die Jacke. Da war nichts.
»Nicht außen. Innen. Ganz klein. Im Haus der alten Frau. Ihre Jacke lag auf der Bank im Innenhof, während Sie im Anbau gesucht haben. Ich habe die ganze Zeit im Schuppen gelauert, nachdem Sie mich bei der Suche gestört haben. Sie waren im Garten so schön laut. Von da an kannte ich immer Ihren Standort.«
»Wir haben die Unterlagen nicht gefunden.«
Der Fremde richtete seine Waffe auf des Innere des Kofferraums.
»Bei der nächsten Lüge stirbt auch er.« Der Fremde verzog keine Miene. »Je schneller Sie mir die Unterlagen geben, umso schneller bin ich weg - und Sie retten sein Leben.«
»Warum haben Sie im Haus nichts unternommen?«
»Weil ich nicht wusste, ob Sie die Unterlagen gefunden haben. Jetzt weiß ich es.«
»Wenn Sie ihn erschießen, haben Sie kein Druckmittel mehr. Wer ist das überhaupt?«
Der Fremde zerrte den Körper aus dem Kofferraum. Der Gefesselte fiel vor dem Kofferraum auf die Knie.
Der Fremde setzte seine Waffe an den Kopf der Geisel.
Benn erkannte im Licht der bereits tief stehenden Nachmittagssonne den Jungen, der sie im Haus der Chemikerin gewarnt hatte.
Die Geisel war Philippe Rasquin, der Sohn des Winzers.
Kapitel 53
ÜBER DEM ATLANTIK
Kami-Passang wurde durch halblaute Stimmen wach. Er rieb sich die Augen und blinzelte. Energieminister Morton Chao schnarchte leise, während CIA-Direktor George Lindley weiter vorn in der Kabine mit einem Mann sprach.
Kami-Passang hatte inzwischen den Aufbau des Flugzeugs so weit verstanden, dass es vor dem Cockpit noch eine abgeschottete Kabine gab, die mit Nachrichtentechnik vollgestopft war.
Der Jet hatte einen kurzen Tankstop in Washington eingelegt und flog nun über dem Atlantik Richtung Stockholm. Seinen Fragen, was ihn dort erwartete, war man bisher ausgewichen. Der Energieminister hatte ihm lediglich erklärt, dass Stockholm nicht von dem europaweiten Stromausfall betroffen sei, da Schweden mit den anderen skandinavischen Ländern ein eigenes Verbundnetz unterhielt.
George Lindley beendete sein Gespräch mit dem Nachrichtenoffizier. Kami-Passang schloss wieder die Augen. Lindley kam näher und weckte den Energieminister.
»Die Entscheidung steht an«, hörte Kami-Passang den CIA-Direktor leise sagen, nachdem Morton Chao mit einem leisen Ruf hoch geschreckt war.
»Sie meinen, Browns Aktion ist endgültig gescheitert?«
»Noch nicht ganz. Aber wir müssen handeln. Seine Leute in Paris haben die Deutschen nach Südfrankreich verfolgt, sind aber aufgeflogen. Dieser Ziegler hat die Unterlagen. Einer von Browns Männern versucht noch, sie abzufangen.«
»Wie haben sie die Unterlagen gefunden?«
»Das ist es ja. Die National Security Agency hört ja für Brown die Gespräche der betreffenden Personen mit. Die Deutschen haben Kemper. Und der hat das Versteck der Unterlagen verraten.«
»Ich verstehe. Wenn Kemper frei ist, dann wird er auch den Mund aufreißen. Das darf nicht passieren.«
Die Stimme des Energieministers verstummte. Kami-Passang traute sich nicht, die Augen zu öffnen aus Sorge, dass die beiden dann ihr Gespräch beenden würden. Er wollte wissen, welche Entscheidung getroffen werden würde.
»Aber falls wir doch noch in den Besitz der Unterlagen kommen, kann er doch so viel schreien, wie er will«, hörte Kami-Passang den Energieminister hüstelnd sagen. »Er wird nie beweisen können, dass ihm die Erfindung gehört.«
»Wollen Sie dieses Risiko eingehen? Bei der Bedeutung? Vielleicht hat er die Originalnachweise aufgeteilt, vielleicht hat er mehr Leute eingeweiht, als wir wissen oder annehmen.«
»Können wir mit der Entscheidung nicht noch warten? Was ist, wenn unser Plan nicht
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