Die Quelle
Straße verlief gut zweihundert Meter nach Westen an der Mole entlang und führte dann in einem Bogen weg vom Fluss in südliche Richtung, wo Buschwerk ihm die Sicht versperrte.
Wieder ertönte der jaulende Ton, und zwei dunkle 7er-BMWs rasten mit Blaulicht aus dem uneinsehbaren Straßenbogen heraus auf die Brücke zu.
»Nimm die Frau mit!«, brüllte Duvall kurz entschlossen zur anderen Wagenseite hinüber, wo Victor mittlerweile neben Rotter und dem jungen Wissenschaftler stand.
Die scheißen sich gleich in die Hose, dachte Duvall wütend, als die beiden zögerten. Er hetzte um den Wagen herum auf sie zu.
»Los - heizt ihnen kräftig ein!«
Rotter bekam von ihm einen Stoß in die Seite, und als er Victor anfauchte, eilte dieser als Erster nach vorn, hockte sich mit der Waffe im Anschlag neben ihren Kastenwagen.
»Du auch!«, brüllte Duvall Rotter an, der immer noch unschlüssig dastand. »Ich kümmere mich um den da!« Er deutete auf Kemper. »Und um sie!«
»Was willst du mit der Frau?«, schrie Rotter.
»Bist du so blöd?« Duvall grinste kalt. »Was wohl? Handelsware!«
Rotter zögerte immer noch.
»Los! Mach schon! Halt sie auf!«
Duvall richtete die Maschinenpistole auf Kempers Bauch. »Zwei Schritt zurück.«
Duvalls entschlossenes Handeln beendete Rotters Zögern. Er rannte nach vorn zu Victor. Duvall griff mit der freien Hand in den Wagen und zerrte an Francescas linkem Arm. »Aussteigen! Los! Wieder aussteigen!«
Als die Frau sich auf die andere Seite zu dem Mann lehnte, packte er ihr Handgelenk und drückte zu. Die Frau schrie schmerzvoll auf, aber Duvall verstärkte den Druck noch, riss den Arm in seine Richtung.
Nach einem spitzen Schrei wurde ihr Arm schlaff. Er zerrte sie aus dem Wagen, und sie stürzte auf die Brückenbohlen.
»Los - zum Transporter! Los!« Duvall schrie Kemper an und trat gleichzeitig nach der Frau, bis sie sich aufrappelte.
»Francesca! - Lassen Sie meine Frau in Ruhe!«
Der Schrei im Wagen ließ Duvall herumfahren. Der Mann auf der Rückbank kletterte auf die Fahrerseite, wollte aus dem Wagen springen. Duvall stieß den Lauf der Maschinenpistole nach vorn, bis die Mündung in das Gesicht des Mannes zeigte.
»Bleiben Sie im Wagen! Los, zurück!«
Noch einmal stieß er den Lauf etwas nach vorn und krümmte, da der Mann zögerte, leicht den Finger am Abzug. Schließlich rutschte der Mann mit wutverzerrtem Gesicht auf seinen Platz zurück.
»Los - zum Transporter!«, rief Duvall und trieb Kemper und die Frau vor sich her, den Blick dabei auf die Straße gerichtet.
Die beiden Limousinen hatten die Pizzeria an der Straße passiert und fuhren mit vollem Tempo auf die Brückenauffahrt zu.
Rotter und Victor hockten ein paar Schritte neben dem kastenförmigen Transporter und zielten mit ihren Waffen auf die heranrasenden Fahrzeuge.
»Schießen! Schießt endlich!«, brüllte Duvall. Victor schoss als Erster, und auch Rotters Waffe krachte plötzlich los.
Verballert nicht gleich eure ganze Munition, dachte Duvall. Feuerstöße, kein Dauerfeuer!
»Weiter! Los!« Er stieß der Frau vor sich die linke Hand in den Rücken.
Duvall juckte es in den Fingern, die heranrasenden Wagen selbst unter Feuer zu nehmen. In den letzten Monaten hatte er immer nur auf dem Schießstand ballern können.
Aber dann beherrschte die Vernunft ihn wieder. Sollten sich die beiden doch die Kugeln einfangen. Sich um die Geiseln zu kümmern war allemal schlauer, als in der vorderster Linie zu stehen.
Immer noch schossen Rotter und Victor.
Scheinbar ohne Wirkung.
Doch dann geriet die vordere Limousine ins Schleudern, brach aus, stellte sich schlingernd quer und jagte dann auf den Molenrand zu. Für einen Moment hing der Wagen wie ein Drachen in der Luft, dann sackte er wie ein Stein nach unten und stürzte neben der Brücke in den Fluss. Eine Fontäne aus Wassergischt spritzte in die Höhe.
Die zweite Limousine fuhr in Schlangenlinie weiter, drehte sich plötzlich einmal um die Längsachse, wurde vom Fahrer abgefangen und kam mit kreischenden Bremsen gut zehn Meter vor dem Transporter zum Stehen.
Auf beiden Seiten wurden die vorderen Türen aufgestoßen. Zwei Männer sprangen heraus und gingen hinter den Türen mit gezogenen Waffen in Deckung.
»Warum, verdammt, schießt ihr nicht im Liegen?«, brüllte Duvall gegen den Lärm und sah kommen, was passieren würde. Plötzlich bäumte sich Rotter auf. Sein Körper wuchs in die Höhe, und die Feuerlanzen aus seiner Waffe jagten in den Himmel.
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