Die Quelle
Sie das verstanden?«
»Ja«, sagte Benn mit trockener Zunge.
»Er will, dass ich für ihn Unterlagen besorge. Kempers Unterlagen über seine Entdeckung. Dafür wird er meine Frau freilassen. Klappt das nicht, wird sie qualvoll sterben.«
Die unnachgiebige und entschlossene Stimme dröhnte immer noch in Benn nach. Der Entführer hatte Benn jedes weitere Wort mit seiner Frau verwehrt, und die Drohung ging ihm nicht aus dem Kopf.
Wenn er sie anfasst, wenn er ihr wehtut ... Benn keuchte unter der Last der Vorstellung, kämpfte gegen Bilder, die als graue Schemen durch seinen Kopf geisterten. Francesca hatte keine Chance, so verzweifelt sie auch kämpfte.
»Dann kann ja jetzt die übliche Maschinerie anlaufen.« Der Staatsanwalt sah zufrieden in die Runde. »Hinhalten, nerven, zermürben. Übergabe vereinbaren. Falle stellen. Überrumpeln. Für die nächsten Schritte haben wir also sechs Stunden Zeit. Vielleicht haben wir bis dahin eine Spur.«
Die Worte des Staatsanwalts schienen die schrecklichen Bilder in Benns Kopf nur zu verstärken. Hinhalten, Falle stellen - das würde seine Frau gefährden, statt ihr zu helfen.
»Genau das passiert nicht!«, stammelte Benn. Die Bilder in seinem Kopf verblassten zu kaum sichtbaren Schatten.
»Noch bestimmen wir, was passiert.«
Die Schemen wurden wieder größer und kräftiger.
»Nichts geschieht, was meine Frau gefährdet!«, schrie Benn den Staatsanwalt an.
»He! Immer mit der Ruhe.« Berger sog an der Zigarette und breitete dann beide Arme aus. »Natürlich geschieht nichts, wodurch Ihre Frau gefährdet werden könnte. Klar?« Berger sah ihn so lange an, bis er nickte.
»So, nachdem das geklärt ist: Welche Unterlagen will er denn haben?«
»Das weiß ich doch nicht!« Benn starrte in die Runde. Was für Fragen wurden hier gestellt? »Das müssen Sie doch wissen. Er sagte nur, die Unterlagen würden belegen, wie die Erfindung funktioniert, und beweisen, dass Kemper der Erfinder ist.«
»Genauer geht es nicht?«
Die herabgezogenen Mundwinkel des Staatsanwalts ließen in Benn den Verdacht aufkommen, dass der Mann nach einer kleinen Rache für die Streitereien zwischen ihnen lechzte.
Bleib ruhig, dachte er, lass dich nicht provozieren.
»Er sagte, ich soll Sie fragen!«
Benn sah zu Hagen, der die ganze Zeit mit gesenktem Kopf und nachdenklicher Miene dasaß. Benn wartete auf irgendeine Reaktion, aber Hagen schwieg nur und starrte mit kalkweißem Gesicht zu Boden.
»Haben Sie mich verstanden?«
Aber auch Benns Fauchen änderte nichts an Hagens Schweigen. Er sah lediglich auf.
Sein leerer Blick ließ Benns Wut überkochen. »Hören Sie mir jetzt gut zu!«, brüllte er. »Ich werde alles tun, um meine Frau zu retten. Was immer er verlangt! Also reden Sie! Was sind das für Unterlagen und wo finde ich sie? Bringen Sie meine Frau nicht in Gefahr!«
»Wir bringen Ihre Frau nicht in Gefahr! Das hat Ihnen doch schon Berger gesagt.« Ela Stein stand auf, ging zum Fenster, sah einen Moment hinaus, drehte sich dann zu Benn. »Wie war er?«
»Was meinen Sie?« Benn atmete schwer und löste nur langsam den Blick von Hagen.
»Na ja - seine ganze Verfassung? Welchen Eindruck hatten Sie? War er nervös, unruhig? Oder selbstsicher, fordernd? Zynisch? Sachlich? Ängstlich? Konzentriert?«
»Was soll das? Sie lenken ab! Warum fragen Sie nicht danach, wie es meiner Frau geht? Wie sie auf mich wirkte?«
Die Kommissarin nickte.
»Nun gut. Dann eben zuerst Ihre Frau. Wie wirkte sie?«
Benn zitterte schlagartig am ganzen Körper.
Ihre Stimme.
Ohne jeden Funken Hoffnung.
Kapitel 25
GREIFSWALD
»Schluss mit dem Polizistengequatsche.«
Berger warf die halb aufgerauchte Zigarette auf den Boden, als die Kommissarin wieder begann, Benn danach zu fragen, was ihm an dem Entführer aufgefallen war.
»Ihr Part, Hagen. Welche Unterlagen hat dieser Kemper versteckt? Und wo?«
»Sie müssen sagen, was Sie wissen!«, verlangte Benn, der den bösen Blick auffing, mit dem Hagen Berger bedachte. »Das Leben meiner Frau hängt davon ab, dass ich ihm die Unterlagen übergebe.«
Benn verstand nicht, warum Hagen zögerte, immer wieder unsicher zu Berger sah, als verstehe er dessen Aufforderung nicht. Er holte tief Luft, da begann Hagen endlich doch zu reden.
»Ich habe Ihnen gestern angedeutet, dass Kemper eine sensationelle Erfindung gemacht hat. Dazu gibt es einen fertigen Patentantrag. Und er hat Laborunterlagen, Protokolle, Nachweise über seine Experimente. Er hat alles, was
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