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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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Dann war sie es eben, die unter seiner Wut zu leiden hatte. Er stapfte entschlossen los.
    Duvall trat mit ernstem Gesicht in das Zimmer und ließ die Leiche von seiner Schulter vor ihr auf den Boden fallen. Der Körper landete mit einem dumpfen Geräusch vor ihren Füße, berührte ihre Fußspitzen.
    Sie riss erschrocken die Beine zurück.
    »Ich an Ihrer Stelle hätte jetzt Angst!«, sagte Duvall grimmig.
    Sie kauerte mit aufgerissenen Augen auf dem Boden und drängte sich noch enger an den Heizkörper. Ihr Gesicht war vor Entsetzen verzerrt, und die hektischen Blicke, mit denen sie abwechselnd die Leiche und dann ihn ansah, verrieten den Schock, unter dem sie stand.
    »Die habe ich auch.« Ihre Lippen bebten.
    Das war schon mal ein guter Anfang, dachte Duvall. Seine Erfahrung war, dass Angst entweder stärkte oder paralysierte. Dabei reagierten Menschen oft vollkommen anders, als man es erwartete. Scheinbar starke Menschen klappten einfach zusammen, und andere, denen man es nicht zutraute, wuchsen über sich hinaus. Würde sie Widerstand zeigen, dann würde er ihn brechen.
    »Die beiden sind weg, nicht wahr?«
    Ihr Blick hing an der Leiche, und Duvall sah das Zittern ihrer Hände, das sie aber zu verbergen suchte. Sie will tapfer sein, dachte Duvall. Sie reißt sich zusammen, weil sie die schlimmsten Gedanken quälen, und fragt deshalb.
    »Der Mann hat das mit dem Leben bezahlt.« Duvall stieß mit der Fußspitze gegen den toten Körper. »Wir beide haben jetzt nur noch uns. Das Spiel hat eine vollkommen neue Wendung genommen. Auch für Sie ... Sie sind eine Belastung für mich. Das verstehen Sie doch?«
    »Sie wollen mich umbringen?« Ihre hohe Stimme verriet Duvall, dass in ihrem hübschen Köpfchen die Hölle tobte. Die Qual der Ungewissheit trieb sie. »Lassen Sie mich einfach laufen ... Sie können auch ein Lösegeld für mich verlangen ...«
    »Sind Sie reich? Oder Ihre Familie?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Sie haben keinerlei Wert für mich. Aber ich gebe Ihnen eine Chance. Ich will alles wissen, was Sie wissen! Spielen Sie nicht mit mir, dann haben Sie vielleicht eine Chance. Und ich werde merken, wenn Sie mit mir spielen!«
    »Warum sollte ich mit Ihnen spielen?« Sie saß mit gesenktem Blick da. »Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß.«
    Sie sprach leise, und ihre Stimme klang zittrig und verzagt. Als sie aufsah, flatterte ihr Blick.
    Duvall antwortete nicht, sondern beobachtete sie mit satter Zufriedenheit. Ihre Angst schien echt. Dass sie überhaupt keinen Widerstand leistete, schob er darauf, dass sie ausreichend nachgedacht hatte. Vielleicht hoffte sie, mit sofortiger Kooperation tatsächlich das Schlimmste abzuwenden, dachte Duvall. Sollte sie es nur glauben.
    »Hat Kemper Ihnen von seiner Erfindung erzählt?«
    »Nein. Er hat nur damit angegeben. Immer wieder. Ohne zu sagen, worum es sich dabei handelt. Er kam mir vor wie ein Spinner.«
    Zunächst drangen ihr die Worte nur stockend über die Lippen. Sie vermied es, ihn anzusehen, schließlich schloss sie sogar die Augen.
    Sie erzählte, was sie in der Nacht von Kemper erfahren hatte, sprach über ihre Vermutungen, über ihre Erlebnisse auf dem Boot, erzählte das, was sie an Schlüssen gezogen hatte, lieferte ihm Stichworte, die ihn zu neuen Fragen veranlassten. Nach einer Stunde hatte er ein buntes Bild vor Augen, auf dem allerdings noch ganze Ausschnitte helle Flecken waren.
    »Warum sind die Unterlagen so wichtig?«
    »Eigentlich sollte er sie für das Experiment dabeihaben. Aber er hatte sie nicht mit, sondern versteckt.«
    Sie war bei seiner Frage zusammengezuckt und hielt die Augen weiterhin geschlossen.
    »Wo?«
    »Das hat er nicht gesagt.« Sie antwortete nach einem kurzen Zögern. »Er sagte nur, sie seien fast wichtiger als er. Und er war froh, dass Sie das noch nicht begriffen hätten.«
    Duvall erinnerte sich an die Minuten im Institut, als der Hüne immer wieder nach Unterlagen gefragt hatte. Kemper hatte fast triumphierend geschrien, dass er sie gut versteckt habe.
    Die hilflose Reaktion des Hünen hatte darin bestanden, sich erst bei den Auftraggebern rückzuversichern, bevor sie Kemper und diesen Professor mitgeschleift hatten. »Die werden es aus ihm herausquetschen«, hatte der Hüne gesagt.
    »Denken Sie nach! Ich glaube Ihnen nicht!«
    Duvall packte die Frau am Arm und verdrehte ihn, bis sie die Augen aufriss und aufschrie. Ihr Schrei ließ ihn kalt. Dennoch ließ er ihren Arm los, um zu sehen, wie sie reagierte. Er

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